Raketenstart und Massenveranstaltungen: Zum 100. Geburtstag von Ex-Staatschef Kim Il Sung will Nordkorea Kontinuität und Stärke zeigen.

Seoul. Über der koreanischen Halbinsel ziehen sich erneut dunkle Wolken zusammen. Mit seinem geplanten Satellitenstart in den nächsten Tagen lässt sich die Führung im sozialistischen Nordkorea unter dem jungen Machthaber Kim Jong-un auf ein neues Kräftemessen mit anderen Ländern in der Region und den USA ein. Diese sehen in dem Start den verdeckten Test einer Rakete mit hoher Reichweite, die einen atomaren Sprengkopf tragen könnte. Es gibt die Befürchtung, der Start könnte eine neue Spirale der Eskalation in Gang setzen. In diesem Zusammenhang lösten auch Berichte aus Südkorea große Besorgnis aus, wonach sich Nordkorea möglicherweise auf einen weiteren Atomwaffentest vorbereitet.

Der geplante Raketenstart steht dabei nicht vereinzelt. Dieser ist Teil von Ereignissen, darunter zwei wichtige politische Treffen, mit denen das Regime nach Ansicht von Beobachtern sowohl Kontinuität als auch Stärke nach außen wie nach innen demonstrieren will.

Denn das verarmte, aber hoch gerüstete Land will in die Ära einer „starken und wohlhabenden Nation“ eintreten: Das ist das Ziel für 2012, das der im Dezember gestorbene langjährige Alleinherrscher Kim Jong Il zu Lebzeiten ausgegeben hatte. Den Höhepunkt bilden aus Nordkoreas Sicht die Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag von Kims Vater – den als Staatsgründer verehrten Kim Il Sung – am kommenden Sonntag.

Nicht nur mit dem Satellitenstart will Nordkorea dieses wichtige Ereignis feiern. Erwartet werden Massenveranstaltungen, bei denen unter anderem die Errungenschaften Kim Il Sungs und Kim Jong Ils gepriesen und zur Loyalität zum neuen Machthaber Kim Jong-un aufgerufen wird. Der frühere Diktator Kim Il Sung, der 1994 gestorben ist, ist auch der Begründer einer Machtdynastie, die jetzt von Enkel Kim Jong-un in dritter Generation fortgesetzt werden soll. Doch Kim Jong-un ist jung und unerfahren, er soll noch keine 30 sein. Auch wenn er schon seit rund drei Jahren als Nachfolge feststeht: Quasi im Zeitraffertempo trieb das Regime den Machttransfer voran. Zwei politische Treffen kurz nacheinander sollen daher dazu dienen, die Nachfolge zu formalisieren oder legalisieren, meinen Beobachter. „Kim Jong-un konsolidiert seine Machtbasis“, sagt Baek Seung Joo vom Korea-Institut für Verteidigungsanalyse in Seoul.

An diesem Mittwoch sollen sich in Pjöngjang Delegierte der herrschenden Arbeiterpartei treffen, am Freitag folgt eine Sitzung der Obersten Volksversammlung. Es wird angenommen, dass Kim weitere wichtige Parteiposten erhält. Unter anderem könnte er Generalsekretär der Partei werden. Diese herausragende Position würde ihn mit den diktatorischen Vollmachten ausstatten, über die schon sein Vater und Großvater verfügten. Als nächster Schritt könnte seine Ernennung als Vorsitzender der Nationalen Verteidigungskommission – des mächtigsten Entscheidungsgremiums unter Kim Jong Il – durch das Parlament folgen. Es könnte jedoch auch sein, dass der Sohn aus Respekt vor seinem Vater den Posten ablehnt, meint Baek.

Auch der geplante Raketenstart dürfte darauf abzielen, Nordkoreas Militärfähigkeiten zu unterstreichen und die sich entfaltende Macht Kim Jong Uns zu stärken. „Mit dem Start verfolgt Nordkorea militärische Ziele“, meint Baek. Der Start hänge daher sehr eng mit Nordkoreas Atomwaffenprogramm zusammen. Pjöngjang weist diese Vorwürfe von sich. Nach seinen Angaben soll die Rakete einen Beobachtungssatelliten in eine Erdumlaufbahn bringen. Die Menschen in der Region befürchten, dass der Streit wie 2009 eskaliert. Damals hatte Nordkorea auf internationale Kritik an einem angeblich „friedlichen“ Satellitenstart mit dem Austritt aus den Mehrparteiengesprächen über sein Atomprogramm reagiert. Im Oktober desselben Jahres folgte ein zweiter Atomwaffentest.

(abendblatt.de/dpa)