Auseinandersetzung zwischen Hardlinern um Chamenei und Ahmadinedschad - Staatsführung strebt hohe Wahlbeteiligung an - Wahlergebnis wird Atom- und Außenpolitik kaum beeinflussen

Der Machtkampf zwischen den Erzkonservativen im Iran ist mit der Parlamentswahl am Freitag in eine neue Runde gegangen. Experten gehen davon aus, dass der geistliche Führer Ajatollah Ali Chamenei aus der Abstimmung gestärkt hervorgehen und Präsident Mahmud Ahmadinedschad eine Niederlage zufügen könnte. Nach Darstellung der amtlichen Medien gab es bei der Wahl einen außergewöhnlich hohen Andrang. Die Wahllokale seien deswegen länger als geplant geöffnet gewesen. Chamenei hatte mit Blick auf den Atomstreit zu einer regen Beteiligung aufgerufen.

Knapp 50 Millionen Iraner waren aufgerufen, vor der Präsidentenwahl im kommenden Jahr neue Abgeordnete zu bestimmen. Weil wichtige Oppositionspolitiker von der Wahl ausgeschlossen waren, handelte es sich vor allem um einen Wettbewerb von Hardlinern: Die wichtigsten Gegner Chameneis sind die Anhänger von Präsident Ahmadinedschad. Auf die Atom- und Außenpolitik hat die Wahl voraussichtlich wenig Auswirkungen. Der Westen verdächtigt den Iran, Atomwaffen zu entwickeln, was die Islamische Republik bestreitet.

Chamenei sagte, die Bedeutung von Wahlen wachse immer dann, wenn die Feindseligkeit gegenüber dem Land steige. „Eine hohe Wahlbeteiligung ist für unser Land besser“, sagte er und warf dem Ausland Böswilligkeit vor. „Die arroganten Mächte schikanieren uns, um ihre Geltung zu bewahren.“ Amtliche Medien zeigten Ahmadinedschad nur kurz bei der Stimmabgabe. Er gab offenbar keinen Kommentar ab.

Die Wahl wird kein Abbild der Meinung im Land ergeben - unter anderem, weil der aus Klerikern und Juristen zusammengesetzte Wächterrat viele Kandidaten nicht zuließ. Reformer hatten kaum eine Chance. Eine geringe Wahlbeteiligung könnte aber darauf hindeuten, dass die Verbitterung in der Bevölkerung nach der Präsidentenwahl im Jahr 2009 noch immer groß ist. Damals wurden Vorwürfe der Wahlfälschung laut. Zehntausende Menschen demonstrierten monatelang für Demokratie. Der Oppositionspolitiker Mehdi Karubi, der unter Hausarrest steht, rief zu einem Boykott der Wahl vom Freitag auf. Er trat 2009 gegen Ahmadinedschad an.

Im vergleichsweise wohlhabenden Norden der Hauptstadt Teherans blieben die Wahllokale am Freitag zunächst leer, bevor mehr Wähler kamen. Dagegen standen in ärmeren Vierteln und anderen Städten Menschen Schlange. Die Wahlzettel werden per Hand ausgezählt, mit einem endgültigen Ergebnis wird Anfang kommender Woche gerechnet. Zwischenstände werden aber früher bekanntgegeben.

Bei der Wahl geht es den rivalisierenden Lagern auch darum, sich vor der Präsidentenwahl im kommenden Jahr in Stellung zu bringen. Dabei darf Ahmadinedschad zwar nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Nach Berichten iranischer Medien hofft der 55-Jährige aber, dass sein Vertrauter Esfandiar Rahim-Maschaie sein Nachfolger werden kann.

Bei den Protesten gegen die Wahl im Jahr 2009 wurde Ahmadinedschad noch von Chamenei unterstützt. Inzwischen sind die beiden Politiker aber Widersacher. Chameneis besonders konservative Anhänger sind alarmiert, weil Ahmadinedschad wiederholt nationalistische Aspekte der iranischen Geschichte und Kultur und weniger den Islam betont hat. Deswegen wird befürchtet, dass Ahmadinedschad die Macht der Religionsvertreter einschränken könnte.

Der Präsident muss sich in der kommenden Woche den Fragen von Parlamentariern stellen, was als Demütigung angesehen wird. Dabei geht es unter anderem seine Wirtschaftspolitik. Die Bürger bekommen die Sanktionen des Westens langsam zu spüren, weil die Preise für Grundnahrungsmittel oder Energie steigen. Im Streit über das Atomprogramm wollen etwa die USA und die Europäische Union die Führung in Teheran zum Einlenken zwingen.

Kurz vor einem Treffen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu drohte US-Präsident Barack Obama dem Iran mit einem Angriff auf die Atomanlagen. Zwar sei alles offen, sagte Obama in einem Interview der Zeitschrift „The Atlantic“. Die letzte Option sei aber die militärische Komponente. „Ich bluffe nicht“, sagte Obama. Die Sanktionen gegen das Land seien aber wirksamer als jeder erwartet hätte. Sie böten die Chance, das Problem dauerhaft zu lösen. Netanjahu betonte bei einem Besuch in Kanada, sein Land habe wie jeder andere Staat das Recht, sich gegen einen Staat zur Wehr zu setzen, der zur Zerstörung Israels aufrufe und daran arbeite. Er trifft sich am Montag mit Obama.