Seitdem bekannt wurde, dass die Regierung 2010 deutlich weniger Schulden machen muss, wird wieder über Steuersenkungen debattiert.

Berlin. Angesichts einer geringeren Neuverschuldung bringen Finanzexperten von FDP und Union wieder Steuersenkungen ins Spiel. „Jetzt haben wir genug Luft für eine Abflachung des Mittelstandsbauchs und eine Entschärfung der kalten Progression“, sagte der FDP-Finanzexperte Daniel Volk der „Financial Times Deutschland“.

Die von der FDP bis zum Veto von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) geforderte Steuersenkung in Höhe von 16 Milliarden Euro sei jetzt gut zu finanzieren, sagte Volk. Der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Leo Dautzenberg (CDU),zeigte sich ebenfalls offen für geringere Steuern. Angesichts der besseren Haushaltszahlen stünde einer Steuersenkung von fünf Milliarden Euro ohne Gegenfinanzierung nichts entgegen.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte, dass geringere Steuern noch in der bis 2013 dauernden Legislaturperiode möglich seien. „Die im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuersenkungen sind nicht aufgehoben, sondern nur auf der Zeitachse verschoben“, sagte er in der „Süddeutschen Zeitung“. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise mache es erforderlich, erst die Haushalte zu konsolidieren. Je schneller und nachhaltiger uns das gelingt, umso eher können wir das Steuersystem vereinfachen und die Steuern senken, sagte Brüderle. Am Dienstag war bekannt geworden, dass die Bundesregierung im laufenden Jahr deutlich weniger Schulden machen muss als bisher befürchtet.

Für dieses Jahr werden neue Kredite von 60 bis 63 Milliarden Euro erwartet – bis zu 20 Milliarden weniger als geplant. Grund sind höhere Steuereinnahmen und geringere Arbeitsmarktkosten dank der besseren Wirtschaftslage sowie die einmaligen Milliarden- Erlöse aus dem Verkauf von Mobilfunklizenzen. Union und FDP wollen trotz des gebremsten Schuldenanstiegs am Sparpaket festhalten, das rund 80 Milliarden Euro bis 2014 bringen soll.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte den strikten Sparkurs trotz der geringeren Kreditaufnahme. „Die Krise liegt hinter uns. Deshalb müssen wir jetzt unsere hohe Neuverschuldung zurückführen“, sagte Schäuble den „Ruhr Nachrichten“. „Wir sparen uns aber nicht kaputt“, sagte er zu Befürchtungen, zu große Sparanstrengungen könnten die Konjunktur abwürgen.

Von der Opposition erwarte er „mehr Niveau“, sagte Schäuble mit Blick auf den Vorwurf, dass nur ein geringer Teil der Sparmaßnahmen auch den Bundesländern zur Abstimmung vorgelegt werden solle. Von den mehr als elf Milliarden Euro im nächsten Jahr bedürfe aus jetziger Sicht nur die Streichung des Heizkostenzuschusses mit 100 Millionen Euro der Zustimmung der Länderkammer. „Es wäre absurd, wenn wir wegen dieses relativ kleinen Details das gesamte Paket zustimmungspflichtig machen würden“, sagte Schäuble.

Erneut wandte sich der Finanzminister gegen Vorwürfe, das Sparprogramm der Regierung sei sozial nicht ausgewogen. „Wer dauerhaft von der Gemeinschaft abhängig ist Alte oder Behinderte wird von unserem Sparpaket nicht getroffen werden“, sagte Schäuble. Einer Erhöhung des Spitzensteuersatzes erteilte er unter Verweis auf den „scharfen globalen Wettbewerb“ eine Absage.

Eine Steuer auf Finanzgeschäfte hält Schäuble nur für möglich, wenn zumindest die EU-Staaten mitziehen. „Eine nationale Finanztransaktionssteuer ist nicht machbar“, sagte Schäuble der „Passauer Neuen Presse“. „Wenn es keine internationale Lösung gibt – wofür leider vieles spricht – werden wir alles an eine europäische Lösung setzen. Dafür sehe ich Chancen“, sagte Schäuble kurz vor dem G20-Gipfel in Kanada, wo eine schärfere Regulierung der Finanzmärkte ein Streitthema sein dürfte.

Skeptisch äußerte sich Schäuble im Hinblick auf eine Reform der Mehrwertsteuer. „Die komplette Abschaffung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist nicht realistisch“, sagte der Finanzminister. Eine neue Abgrenzung sei wegen der vielen betroffenen Einzelgruppen kein einfaches Unterfangen. „Ich glaube nicht, dass wir eine Mehrwertsteuerreform schon 2011 zum Abschluss werden bringen können“, sagte Schäuble. (dpa/abendblatt.de)