Die Entlastung von 17 Milliarden Euro muss teilweise auf Pump finanziert werden und soll spätestens 2013 kommen.

Berlin. Trotz massiver Schuldenlast in den öffentlichen Kassen bewegen sich Union und FDP nach langem Koalitionsstreit auf Steuersenkungen von 17 Milliarden Euro zu. Diese Entlastung muss teilweise auf Pump finanziert werden und soll „spätestens 2013, möglichst aber eher“ kommen, kündigte der CDU/CSU-Chefhaushälter im Bundestag, Norbert Barthle, am Wochenende an. Auch eine Studie im Auftrag des Wirtschaftsministeriums hält 17 Milliarden Euro an Entlastungen für möglich – es wird dafür der Umbau des Steuersystems zu einem 5-Stufen-Steuertarif empfohlen.

Gleichwohl hält der Widerstand der Länder gegen weitere Haushaltslasten an, wie der Regierungschef von Nordrhein-Westfalen (NRW), Jürgen Rüttgers, in der heißen Phase des Landtags-Wahlkampfes klarmachte. Offen bleibt auch, in welchem Umfang Bürger durch Einschnitte bei den Staatsausgaben oder Steuersubenventionen selbst zur Finanzierung einer Steuerreform herangezogen werden sollen.

FDP und Barthle wollen die Länder von den Steuersenkungen durch Hinweis auf so erzeugtes Wirtschaftswachstum überzeugen, das wieder mehr Geld in die öffentlichen Kassen spüle, sagte der CDU-Politiker Barthle der Berliner Tageszeitung „B.Z.“ (Montag). „Wir rechnen in diesem Jahr mit einem Wirtschaftswachstum von 1,5 bis 2 Prozent, ebenso im nächsten Jahr. Das senkt die Ausgaben für Arbeitsmarkt und Sozialsysteme. Gleichzeitig steigen die Steuereinnahmen.“

Der neue lineare Steuertarif solle gemäß FDP-Forderungen in einen Tarif mit wenigen Steuersätzen umgewandelt werden. Die 17 Milliarden ergeben laut Barthle plus der 6 Milliarden an Entlastungen von Anfang 2010 – darunter für Hoteliers – die im Koalitionsvertrag zugesagten Steuersenkungen von 23 Milliarden.

Genau17 Milliarden Euro Entlastung sieht auch eine von FDP- Wirtschaftsminister Rainer Brüderle in Auftrag gegebene Studie vor. Die Expertise des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) in Essen, die der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag vorlag, umfasst ein einfaches Steuermodell mit fünf Tarifstufen. Dabei wird die Entlastungswirkung auf Gering- und Normalverdiener konzentriert. Bislang ging die FDP von einem Tarif in drei Stufen aus, das ein Entlastungsvolumen von rund 20 Milliarden Euro erfordert.

Bei neuen Schulden allein im Bundesetat 2010 von rund 80 Milliarden Euro warnte die Opposition vor der „Stunde der Wahrheit“, wie Ex-Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) erklärte. Die höchste Kreditaufnahme des Bundes bisher kann am Ende sogar noch bis auf 100 Milliarden klettern, wenn Kosten aus dem Konjunkturpaket II und dem Bankenrettungsfonds zu Buche schlagen.

Der Vizevorsitzende der Linke-Fraktion, Klaus Ernst, forderte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) auf, seine „Giftliste“ von Einsparungen noch vor der NRW-Landtagswahl am 9. Mai vorzulegen. Alles andere sei „Wählerbetrug“, sagte er zu bisherigen Plänen, Einsparungen und Steuerreform erst nach der NRW-Wahl zu präsentieren.

Nach dem 5-Stufen-Steuermodell können laut der RWI-Studie Jobs für zusätzlich 146700 Menschen erzielt werden. Brüderle kann laut der Studie erwarten, dass sich eine solche Reform in den ersten drei Jahren zu 45 Prozent selbst finanziert, das vorher anvisierte Dreistufenmodell nur zu 40 Prozent. Trotz der fachlichen Annäherung zwischen Union und FDP ist noch nicht von schnellen Entscheidungen über die Steuerreform auszugehen. Denn Schäuble hatte dafür als Zeitraum Mitte Mai bis Ende Juni angegeben. Rüttgers verlangte dagegen Klarheit noch vor der Landtagswahl. Das müsse im Zeichen der Mai-Steuerschätzung bereits möglich sein, forderte der Vizevorsitzende der CDU im Deutschlandfunk.

Vorerst gebe es kaum Spielraum für Steuersenkungen, bekräftigte Rüttgers in der „Bild am Sonntag“. Bereits vorher müsse es ein gemeinsames politisches Konzept geben: „Da geht es zunächst um Haushaltskonsolidierung, dann um Investitionen in Wachstum – zum Beispiel Bildungsinvestitionen – und zu einem (...) späteren Zeitpunkt um angemessene Steuerentlastungen.“ Rüttgers will keiner Steuersenkung zulasten der Kommunen zustimmen.

Steinbrück schlug der Regierung vor, auf jegliche „Lockangebote“ für die Bürger zu verzichten. „Ich würde den Leuten klipp und klar sagen, Steuererleichterungen gibt es nicht“, sagte er in einer ARD- Aufzeichnung für die Montags-Talksendung „Beckmann“. Amtsvorgänger Schäuble stecke zwischen Schuldenbremse und Stabilitätspakt in einem Schraubstock, dem er nicht entkommen könne. Mit der Vorlage von Haushalt und Finanzplanung Ende Juni komme „die Stunde der Wahrheit“