Bei der Gedenkfeier für die getöteten Soldaten spricht Merkel über Zweifel am Afghanistan-Einsatz. Die Linke wirft der Kanzlerin Heuchelei vor.

Selsingen. "Es gibt keinen Abgeordneten und kein Regierungsmitglied, das nicht schon einmal Zweifel gehabt hätte". Ihre Abschiedsrede für die drei an Karfreitag bei Kundes getöteten Soldaten hat Angela Merkel (CDU) genutzt, um ihre Position zum Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan zu erläutern. Nur wer Zweifel hätte, könne Verantwortung tragen. Erstmals sprach sie in diesem Zusammenhang auch von Krieg - wobei sie eine direkte Formulierung vermied. Sie könne verstehen, so die Bundeskanzlerin, dass Soldaten und ihre Angehörigen von einem Krieg sprächen.

In seiner Rede für die gefallenen Soldaten wurde Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) deutlicher als die Kanzlerin: „Was wir am Karfreitag bei Kundus erleben mussten, das bezeichnen die meisten verständlicherweise als Krieg - ich auch.“

Für Aufregung hatte zuvor das Vorstandsmitglied der Linken Christine Buchholz gesorgt. Buchholz hatte Merkels Teilnahme an der Trauerfeier als "heuschlerisch" bezeichnet, was wütende Proteste in der CDU hervorgerufen hatte. Die Linke wirft der Kanzlerin vor, die Soldaten nach Afghanistan geschickt zu haben, "obwohl sie wusste, dass sich die Sicherheitslage im Norden dramatisch verschlechtert hat.“

Die Trauerfeier fand in der St. Lambertikirche in Selsingen ganz in der Nähe des Seedorfer Heimatstandorts der gefallenen Soldaten statt. 900 Soldaten standen für ihre gefallenen Kameraden vor der Kirche Spalier, den eineinhalbstündigen Gottesdienst konnten sie auf Leinwänden vor der Kirche verfolgen. In der Kirche waren drei Särge aufgebahrt, die in schwarz-rot-goldene Flaggen gehüllt waren.

„Ich verneige mich vor ihnen. Deutschland verneigt sich vor ihnen“, sagte die Kanzlerin bei ihrer Rede. Im Namen der Bundesregierung und aller Bürger sprach sie den Familien der getöteten deutschen Soldaten ihr Beileid aus.

Der 35-jährige Hauptfeldwebel, der 25-jährige Stabsgefreite und der 28-jährige Hauptgefreite waren Angehörige der in Seedorf bei Selsingen stationierten Luftlandebrigade 31 und wurden bei einem Feuergefecht mit den Taliban getötet. Sie waren erst seit Mitte März in Afghanistan.

Seit Beginn des Afghanistan-Einsatzes kamen dort bislang 39 deutsche Soldaten ums Leben. Die Bundesregierung stehe „bewusst“ hinter dem Einsatz der Soldaten und Polizisten in Afghanistan, sagte Merkel in ihrer Rede. Afghanistan dürfe nie wieder von Taliban und Al-Qaida-Terroristen beherrscht werden. Auch die Mehrheit des Bundestages stehe hinter diesem Einsatz. Der Einsatz sei allerdings schwieriger als zu Beginn vor acht Jahren noch gedacht, sagte Merkel. Man müsse sich immer wieder die Gefahren für die jungen Männer und Frauen in Afghanistan klar machen. Es sei aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht möglich zu sagen, wann der Einsatz ende.

Es ist das erste Mal, dass die Kanzlerin an einer Gedenkfeier für in Afghanistan getötete Soldaten teilnimmt. Neben ihr und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gaben auch Bundeswehr-Generalinspekteur Volker Wieker und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) den getöteten Männern ein letztes Geleit. Guttenberg zeigte sich in seiner Ansprache erschüttert und „tieftraurig“. Mit den Angehörigen trauere ein ganzes Land „nicht verschämt und im Verborgenen, sondern gottlob offen“, so Guttenberg. Genauso offen müsse man über die Gefahren und Risiken des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan diskutieren.

Der evangelische Militärseelsorger Armin Wenzel wandte sich in seiner Predigt an die Angehörigen, deren grenzenlose Trauer, „wir als Außenstehende nur erahnen können“. Im Anschluss an Wenzels Worte legten die Teilnehmer eine Gedenkminute für die Getöteten ein, zeitgleich gedachten auch die Soldaten im Feldlager im afghanischen Kundus ihrer Kameraden.