Die Halbwertzeit der Treffen im Kanzleramt ist gering. Meist streitet die Koalition schon wenige Stunden nach so einem Treffen wie die Kesselflicker.

Berlin. Gut für die Regierung ist, was nichts kostet. Und noch besser ist, wenn sie damit noch beim Wähler punkten kann. So sollen sich die Spitzen der schwarz-gelben Koalition bei ihrem Gipfel am späten Sonntagabend im Kanzleramt weitgehend einig über eine Bankenabgabe gewesen sein.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach sich bereits mehrfach dafür aus, Banken für von ihnen mitverschuldete Finanzkrisen zur Kasse zu bitten. Damit würden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Zum einen flösse etwa über eine Sonderabgabe des Finanzsektors an einen Fonds Geld ins Staatssäckel. Zum anderen ginge an die Bürger dieses Signal: Die Steuerzahler, die kleinen Leute, sollen nicht blechen, wenn sich große Finanzinstitute verzocken.

CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich sagte vor dem Treffen in der ARD: „Wir sind uns alle einig, dass Banken, die ja nicht unschuldig sind an den Finanzkrisen, an den Kosten beteiligt werden.“ Friedrich wurde wie die Fraktionsvorsitzenden von Union und FDP, Volker Kauder und Birgit Homburger, und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erstmals zu dem Spitzentreffen von Merkel mit den Parteichefs Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) gerufen.

Offiziell ging es um die Regulierung der Finanzmärkte und die Schuldenkrise Griechenlands sowie die deutsche Position dazu beim EU- Gipfel Ende der Woche in Brüssel. Inoffiziell spielten die Chancen von Union und FDP bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai eine gewichtige Rolle. Denn die Mehrheit der dortigen CDU/FDP- Regierung ist nach Umfragen in Gefahr. Da sucht die Bundesregierung nach Bonbons für die Bürger. Eine Steuerreform mit den versprochenen Steuerentlastungen wird es voraussichtlich nicht rechtzeitig geben.

Vergnügungssteuerpflichtig ist es nicht, was die Spitzen der Koalition im Kanzleramt veranstalten. Merkel kam bisher zweimal mit Westerwelle und Seehofer zusammen, um über die Lage der Nation im allgemeinen und die von Schwarz-Gelb im besonderen zu beraten. Das ist kein Zirkel, der Beschlüsse fasst. Absichten können erklärt und das durch viel Streit der Koalitionsparteien – befeuert von Westerwelle und Seehofer – belastete Klima vielleicht verbessert werden. Außenstehenden mag das als Ergebnis dürftig erscheinen.

Dazu kommt das Problem der Halbwertzeit. Die beiden Treffen im Januar und Februar hatten das Bündnis von Union und FDP nicht groß vorangebracht. Schon Stunden nach der Zusammenkunft ging die Kesselflickerei weiter. Nach dem ersten tête-à-tête demonstrierten die Parteichefs noch Einigkeit und gingen gemeinsam in einem Berliner Promilokal essen. Alle drei wählten das gleiche Gericht: Tatar, rohes Fleisch.

Nach dem zweiten Stelldichein brausten die Limousinen aus dem Kanzleramt in verschiedene Richtungen davon. Am Sonntagabend nun Gipfel Nummer drei – ausgeweitet auf die Fraktionsführungen und den Finanzminister. Die Regierung bemühte sich, den Anschein von Krise zu zerstreuen. Sie argumentierte, die Lage wäre viel kritischer, würden sich die Spitzen nicht zu solchen Runden zusammenfinden. Außerdem sei die Regelmäßigkeit der Treffen früh vereinbart worden. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache.

Die Bundesregierung hat einen Haushalt mit Rekordverschuldung zu verantworten. Fakt ist, es muss gespart werden. Wie ist nicht klar. Zugleich verspricht Schwarz-Gelb weiter Steuerentlastungen. Es wäre interessant, wie sich die Bundesregierung dazu verhalten würde, wäre keine Landtagswahl in NRW am 9. Mai

Westerwelle und Merkel haben einer neuen Umfrage zufolge deutlich an Beliebtheit in der Bevölkerung verloren. Bundespräsident Horst Köhler, ein Mann von CDU und FDP, nennt – nach langem Schweigen zum politischen Tagesgeschäft – die bisherige Arbeit der schwarz-gelben Koalition „enttäuschend“. Und auch wenn Merkel vom „politischen Normalzustand“ spricht, hört sich das alles eher nach Krise als nach Routine an. Die Partner sind nach Angaben aus den eigenen Reihen teils zutiefst zerstritten und selbst überrascht und frustriert darüber, wie schlecht sie harmonieren.

Für SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier gleicht das Schauspiel der Koalition einem „Affentheater“. Nach dem 9. Mai werde die Bühne umdekoriert und ein neues Stück gespielt. Titel: „Die Kassen sind leer.“