Die Halbwertzeit der Treffen im Kanzleramt ist gering. Meist streitet die Koalition schon wenige Stunden nach so einem Treffen wie die Kesselflicker.

Berlin. Vergnügungssteuerpflichtig ist es nicht, was die Spitzen der Koalition im Kanzleramt veranstalten. Regierungschefin Angela Merkel (CDU) kommt mit den beiden anderen Parteivorsitzenden Guido Westerwelle (FDP) und Horst Seehofer (CSU) zusammen, um über die Lage der Nation im allgemeinen und die von Schwarz-Gelb im besonderen zu beraten. Es ist kein Zirkel, der Beschlüsse fasst. Absichten können erklärt und das durch viel Streit der Koalitionsparteien – befeuert von Westerwelle und Seehofer - belastete Klima vielleicht verbessert werden. Außenstehenden mag das als Ergebnis dürftig erscheinen.

Dazu kommt das Problem der Halbwertzeit. Die beiden Treffen im Januar und Februar haben das Bündnis von Union und FDP nicht groß vorangebracht. Schon Stunden nach der Zusammenkunft ging die Kesselflickerei weiter. Nach dem ersten tête-à-tête demonstrierten die Parteichefs noch Einigkeit und gingen gemeinsam in einem Berliner Promilokal essen. Alle drei wählten die gleiche Speise: Tatar, rohes Fleisch. Nach dem zweiten Stelldichein brausten die Limousinen aus dem Kanzleramt in verschiedene Richtungen davon.

Am Sonntagabend nun Gipfel Nummer drei. Diesmal auch mit den Vorsitzenden der Fraktionen von CDU/CSU und FDP plus Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Die Regierung bemüht sich, den Anschein von Krise zu zerstreuen. Sie argumentiert, die Lage wäre viel kritischer, würden sich die Spitzen nicht zu solchen Runden zusammenfinden. Außerdem sei die Regelmäßigkeit der Treffen früh vereinbart worden. Doch die Fakten sprechen eine andere Sprache.

Die Bundesregierung hat einen Haushalt mit einer Rekordneuverschuldung von 80 Milliarden Euro zu verantworten. Fakt ist, es muss gespart werden. Wie ist nicht klar. Zugleich verspricht Schwarz-Gelb weiter Steuerentlastungen. Es wäre interessant, wie sich die Bundesregierung dazu verhalten würde, wäre keine Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai und die Mehrheit der dortigen CDU/FDP- Regierung nicht in Gefahr.

Auch Westerwelle und Merkel haben einer neuen Umfrage zufolge deutlich an Beliebtheit in der Bevölkerung verloren. Bundespräsident Horst Köhler, ein Mann von CDU und FDP, nennt – nach langem Schweigen - die bisherige Arbeit der schwarz-gelben Koalition „enttäuschend“. Und auch wenn Merkel vom „politischen Normalzustand“ spricht, hört sich das alles eher nach Krise als nach Routine an. Die Partner sind nach Angaben aus eigenen Reihen teils zutiefst zerstritten und selbst überrascht und frustriert darüber, wie schlecht sie harmonieren.

CDU und CSU sehen die Schuld bei den Freien Demokraten, die nach elf Jahren Opposition noch nicht in die Regierungsrolle fänden und ein zunehmendes Problem mit ihrem Vorsitzenden, Vizekanzler und Außenminister Westerwelle bekämen. Dessen populistische Sprüche zu Hartz-IV-Empfängern haben die Kanzlerin offensichtlich so erzürnt, dass sie sich öffentlich von Westerwelle distanzierte. In der CDU sind aber auch viele Abgeordnete sauer auf Seehofer, der von München aus die in Berlin mühsam ausgehandelten Kompromisse mit den CSU- Bundestagsabgeordneten wieder infrage stelle. Die FDP wiederum beklagt sozusagen eine Spätfolge der großen Koalition. Durch das Bündnis mit der SPD sei die Union zu sozialdemokratisch geworden.

Am Sonntagabend sollte es um die Finanzkrise in Griechenland und die deutsche Position dazu beim EU-Gipfel Ende der Woche sowie die Regulierung der Finanzmärkte gehen. Merkel bezeichnete die NRW-Wahl als wichtig für ganz Deutschland. Irgendetwas wird sich die Koalition einfallen lassen müssen, um sich bei den Wählern besser als bisher zu empfehlen. Über die geplante Steuerreform in Deutschland sollte nach Regierungsangaben definitiv nicht gesprochen werden. Dabei dürfte dies ein Thema sein, das die Bürger mit am dringlichsten interessiert. Für SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier gleicht das Schauspiel der Koalition einem „Affentheater“. Nach dem 9. Mai werde die Bühne umdekoriert und ein neues Stück gespielt. Titel: „Die Kassen sind leer.“