Ein Ausschuss im US-Kongress hat die Verfolgung von Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord eingestuft. Die Türkei reagierte empört.

Trotz scharfer türkischer Proteste hat der auswärtige Ausschuss im US-Kongress die Verfolgung von Armeniern im Osmanischen Reich als Völkermord bezeichnet. Die türkische Regierung reagierte umgehend und rief ihren Botschafter, Namik Tan, aus Washington zurück, wie türkische TV-Sender nach der Abstimmung am Donnerstag (Ortszeit) berichteten.

Die Abstimmung in dem Ausschuss fiel mit 23 gegen 22 Stimmen denkbar knapp aus. „Deutschland hat die Verantwortung für den Holocaust akzeptiert“, sagte der Ausschussvorsitzende Howard Berman. „Für die Türkei ist es jetzt Zeit, die Realitäten des Genozids an den Armeniern zu akzeptieren“. Das werde am Ende auch die Demokratie in der Türkei und die amerikanisch-türkischen Beziehungen stärken. Unmittelbar vor der Abstimmung hatte die Regierung von Präsident Barack Obama an die Parlamentarier appelliert, aus Rücksicht auf die Beziehungen zur Türkei auf die Entschließung zu verzichten. Die Türkei ist Rechtsnachfolgerin des Osmanischen Reichs und ein wichtiges NATO-Mitglied. Die USA nutzen unter anderem Stützpunkte in der Türkei, um ihre Truppen im Irak zu versorgen.

In der nicht-bindenden Erklärung fordert der Ausschuss nun Obama auf, die „systematische und vorsätzliche Auslöschung von 1,5 Millionen Armeniern klar als Völkermord zu qualifizieren“. Außerdem solle er sicherstellen, dass die Erinnerung an diese Ereignisse während des Ersten Weltkriegs im Osmanischen Reich Teil der US-Außenpolitik sei. Obama hatte bereits im Wahlkampf angekündigt, das Massaker als Völkermord klassifizieren zu wollen, kam dieser Zusage bisher allerdings nicht nach. Das Votum des Ausschusses könnte den Weg zu einer Plenarabstimmung im Repräsentantenhaus freimachen.

Die Türkei hat Washington aufgefordert, die Resolution zu korrigieren. Der US-Kongress müsse einen „historischen Fehler“ berichtigen, zitierten türkische Medien Parlamentssprecher Mehmet Ali Sahin. Präsident Abdullah Gül sagte, die Erklärung des Ausschusses habe „in den Augen des türkischen Volkes keinen Wert“. Zugleich warnte er vor möglichen Folgen der Resolution für die Annäherung zwischen der Türkei und Armenien sowie für die Beziehungen zum Bündnispartner USA.

Es ist nicht das erste Mal, dass die USA und die Türkei über diesen Punkt streiten. Zu ähnlichen Verstimmungen war es bereits 2007 gekommen, als derselbe US-Kongressausschuss ebenfalls eine „Völkermord-Resolution“ verabschiedete. Nach heftigem internen Widerstand wurde das Dokument aber nicht im Plenum verhandelt. Bei Vertreibungen und Todesmärschen waren zwischen 1915 und 1917 nach armenischen Angaben mehr als 1,5 Millionen Armenier getötet worden, nach türkischen Angaben zwischen 250.000 und 500.000. Der Vorwurf des Genozids wird von der Türkei allerdings vehement bestritten. Die christlichen Armenier hätten an der Seite des Kriegsgegners Russland gestanden, heißt es in der Türkei zur Begründung.