In Deutschland sind über elf Millionen Menschen armutsgefährdet. Das ist ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren. Besonders betroffen sind Kinder.

Berlin. Die Zahl der Bundesbürger, die an der Armutsschwelle leben, wächst rasant. Jeder siebte Mensch in Deutschland lebte 2008 an der Grenze zur Armut oder war arm. Insgesamt galten damit rund 11,4 Millionen Menschen als armutsgefährdet. Das ist einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zufolge rund ein Drittel mehr als noch vor zehn Jahren. Demnach sind Kinder und junge Erwachsene besonders betroffen: Fast ein Viertel der 19- bis 25- Jährigen war 2008 armutsgefährdet. Die sogenannte Armutsrisikoschwelle liegt laut EU-Kommission bei 60 Prozent des mittleren Einkommens eines Landes. Als arm gilt, wer weniger als 50 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung hat.

„Vor allem junge Erwachsene und Haushalte mit Kindern sind betroffen“, erklärte Markus Grabka, Mitautor der Studie. Mit Blick auf die Debatte um die finanzielle Unterstützung von Langzeitarbeitslosen hält das DIW höhere Hartz-IV-Sätze dennoch nicht für sinnvoll. Diese linderten zwar die Symptome, aber nicht die Ursachen von Armut. Sinnvoller seien „Investitionen in Betreuungseinrichtungen und in die Verbesserung der Erwerbschancen für Alleinerziehende und Eltern junger Kinder“. Die gelte auch für die jüngste Anhebung des Kindergelds. „Hier mangelt es an Zielgenauigkeit“, urteilte Grabka.

Das Armutsrisiko ist laut der Studie für kinderreiche Familien und Alleinerziehende besonders hoch. „Gegenüber 1998 ist das Armutsrisiko kinderreicher Haushalte beträchtlich gestiegen und das, obwohl der Ausbau der Kinderbetreuungsplätze und das Elterngeld diese Entwicklung bereits entlastet haben“, erklärte Joachim Frick, Co-Autor der Studie. Für Familien mit drei Kindern liege das Armutsrisiko bei knapp 22 Prozent, bei vier und mehr Kindern sogar bei 36 Prozent. Mit über 40 Prozent haben zudem Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern weit überdurchschnittliche Armutsraten.

Altersarmut ist der Studie zufolge hingegen kein großes Problem. Menschen am Ende ihres Berufslebens oder zu Beginn des Ruhestands haben demnach ein unterdurchschnittliches Armutsrisiko. Erst nach dem 75. Lebensjahr steigt das Armutsrisiko wieder auf Durchschnitt, was die Forscher unter anderem auf den höheren Anteil von Witwen mit geringeren Alterseinkünften zurückführen. Knapp ein Fünftel der allein lebenden alten Frauen lebt derzeit unterhalb der Armutsschwelle.

Für die Studie nutzte das DIW Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP). Dabei handelt es sich um eine seit 25 Jahren laufende Langzeitbefragung von mehr als 10.000 privaten Haushalten in Deutschland, die Auskunft über Faktoren wie Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung oder Gesundheit gibt.