Kommandeur Stanley McChrystal forderte mehr Risiko von den Deutschen in Afghanistan. Die SPD hat die Bereitschaft für mehr Soldaten signalisiert.

Berlin. Kurz vor der internationalen Afghanistan-Konferenz in London hat die SPD mit ihrer Bereitschaft für mehr Soldaten und einem konkreten Abzugszeitplan Bewegung in die Afghanistan-Debatte gebracht. „Wir müssen uns mit den wichtigsten europäischen Partnern auf die Beendigung unseres militärischen Engagements in einem Korridor zwischen 2013 und 2015 verständigen“, sagte der SPD- Fraktionsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier der „Zeit“. Der Kommandeur der Internationalen Afghanistan-Schutztruppe, Stanley McChrystal, forderte aber zunächst einmal mehr Risiko von den Deutschen.

Unterdessen versucht die Union eine Befragung von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) im Kundus- Untersuchungsausschuss hinauszuzögern – zum Zorn der Opposition. Der Bundestags-Ausschuss setzt seine Arbeit an diesem Donnerstag fort. Der frühere Außenminister Steinmeier mahnte eine Woche vor der Afghanistan-Konferenz an, den Beginn des Bundeswehr-Abzuges an den Abbau der US-Präsenz in Afghanistan zu koppeln. US-Präsident Barack Obama habe das Datum 2011 für den Beginn der Reduzierung des militärischen Engagements der USA gesetzt. „Dahinter sollten auch wir nicht zurückbleiben. Auch der Abzug der deutschen Soldaten sollte 2011 beginnen.“ Er fügte hinzu: „Wir müssen jetzt die einigermaßen beruhigten Distrikte vollständig an Afghanen übergeben.“

Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa, die SPD wolle sich einer möglichen Truppenerhöhung nicht verschließen. Eine Zahl wollte er nicht nennen. Die immer wieder genannte Größenordnung von 2500 zusätzlichen Soldaten werde es aber wohl nicht geben. Dies könne Guttenberg selbst in der eigenen Partei kaum durchsetzen. Allerdings müsse es parallel einen klaren Plan für zivile Aufbauhilfe geben. Die USA wollen die Truppen um 30000 Soldaten verstärken, um die Taliban vor dem Abzug entscheidend zu schwächen. Auch von den Partnern werden mehr Soldaten erwartet. US-General McChrystal sagte der „Bild“-Zeitung, der Norden Afghanistans – hier haben die Deutschen das Kommando – sei „entscheidend“ für die Stabilität des Landes. Den Aufständischen gehe es darum, die Soldaten von der Bevölkerung zu trennen. Wenn diese in ihren Feldlagern blieben, ihre gepanzerten Fahrzeuge nicht mehr verließen, und kaum noch Kontakt zur Bevölkerung hätten, würden sie irrelevant – dann hätten die Aufständischen ihre Mission erfüllt.

Guttenberg entgegnete am Mittwoch in Berlin, er sehe dies nicht als Kritik, sondern als eine Realitätsbeschreibung. Entscheidungen zur künftigen Strategie sind kommende Woche in London zu erwarten. Afghanistans Präsident Hamid Karsai kommt zuvor am 26. und 27. Januar nach Berlin. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm nannte den Besuch eine wichtige Gelegenheit, um mit Karsai die Position der Bundesregierung für die künftige Afghanistan-Strategie zu besprechen. „London muss einen breiten politischen Ansatz haben und kann keine Truppenstellerkonferenz sein“, sagte Außenminister Guido Westerwelle (FDP) im Bundestag.Einem schnellen Bundeswehr- Abzug erteilte er eine Absage: „Wer jetzt kopflos aus Afghanistan abziehen würde, der lässt Millionen Menschen im Stich und schickt viele von ihnen in den sicheren Tod durch Taliban-Henker.“

Unterdessen lässt Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) die Führungsstrukturen seines Ministeriums und der Bundeswehr auf Defizite überprüfen. „Es wird dabei keine Tabus geben dürfen“, sagte er. Die Frauen und Männer der Bundeswehr könnten die vorhandenen Schwächen zwar kompensieren, „aber sie sollen es eben nicht müssen“. Der Minister erinnerte daran, dass sich die Bundeswehr seit 1992 ununterbrochen im Auslandseinsatz befindet. Die Frage sei, ob sie für ihre Aufgaben richtig aufgestellt und vorbereitet sei. Im Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre muss Guttenberg nach Oppositionsangaben frühestens im März aussagen. Die Politiker kämen ab der vierten Sitzungswoche, also Anfang März, an die Reihe, sagte der SPD-Verteidigungsexperte Arnold der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Donnerstag). Darauf habe man sich „nach einer mühsamen Prozedur“ geeinigt. Zunächst sollten Militärexperten zum Bombardement gehört werden. Nach der konstituierenden Sitzung im Dezember nimmt der Ausschuss an diesem Donnerstag seine eigentlichen Beratungen auf.

Erst müsse es darum gehen, was am 4. September 2009 passiert sei, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Ernst-Reinhard Beck, der dpa. Der Ausschuss soll die Umstände des Luftschlags auf zwei von Taliban entführte Tankwagen nahe der nordafghanischen Stadt Kundus klären. Dabei waren bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt worden, darunter auch Zivilisten. Die Opposition will vor allem wissen, warum Guttenberg den Angriff zunächst als „militärisch angemessen“ bezeichnet und dies später dann widerrufen hatte.