Bereits am kommenden Montag wollen Union und FDP Gespräche über ein Bündnis führen. „Dreierverhandlungen“ soll es aber nicht geben.

Berlin. Nach ihrem Wahlsieg stellen sich Union und FDP auf harte Koalitionsverhandlungen ein. FDP-Chef Guido Westerwelle kündigte am Dienstag an, möglichst viel vom Programm seiner Partei durchsetzen zu wollen. CSU-Chef Horst Seehofer versicherte nach einem Treffen mit Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel, die Schwesterparteien wollten „in engstem Schulterschluss“ verhandeln.

Seehofer sagte nach dem Vier-Augen-Gespräch mit Merkel am Dienstagvormittag weiter, dass die Verhandlungen zwischen Union und FDP nicht einfach würden. „Koalitionsgespräche sind nie leicht. Sie werden aber konstruktiv ablaufen“, versicherte er. Auf die Frage, ob die Union als geschlossene Formation in die Verhandlungen gehe, erwiderte er: „Wir führen die Gespräche als Union, die besteht aus CSU und CDU.“ Der am Dienstag wiedergewählte Chef der CSU-Landesgruppe, Peter Ramsauer, sagte: „Vor uns liegen jetzt schwierige Wochen der Koalitionsverhandlungen.“

Westerwelle wurde als Fraktionschef mit 100 Prozent der Stimmen wiedergewählt. Er wertete nach der ersten Sitzung der neuen FDP-Fraktion dies Ergebnis als „Rückendeckung“ für die Verhandlungen mit der Union.

Auch die Unionsfraktion stellte ihre personellen Weichen: Mit seinem bisher besten Ergebnis von 96,5 Prozent wurde Unionsfraktionschef Volker Kauder im Amt bestätigt. Wiedergewählt wurde auch der parlamentarische Geschäftsführer Norbert Röttgen. Er erhielt 95,7 Prozent. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer wurde ebenfalls im Amt bestätigt. Die CSU-Abgeordneten wählten den 55-Jährigen mit 40 von 44 abgegebenen Stimmen. Auch der parlamentarische Geschäftsführer Hartmut Koschyk wurde erneut gewählt.

Geplant ist, dass sich die Union am Donnerstagabend zur Vorbereitung der Koalitionsverhandlungen trifft. Die erste Runde von CDU, CSU und FDP soll am Montagnachmittag stattfinden. CDU und CSU sollen dabei nach CSU-Angaben mit jeweils sieben Vertretern teilnehmen. Das Kräfteverhältnis zwischen CDU und CSU habe sich nach dem schlechten Wahlergebnis der CSU in Bayern allenfalls „numerisch“ verschoben, betonte der bayerische Ministerpräsident Seehofer. „Wir werden gleichberechtigt vertreten sein“, fügte er hinzu.

Die Koalitionsverhandlungen werden auf Seiten der CDU von einem Lenkungskreis unter der Leitung von Kanzlerin und CDU-Chefin Merkel geführt. Dem Kreis gehören außerdem Merkels vier Stellvertreter im Parteivorsitz, Annette Schavan, Roland Koch, Christian Wulff und Jürgen Rüttgers sowie CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla und Fraktionschef Kauder an.

Die CSU-Delegation wird von Parteichef Horst Seehofer geführt. An seiner Seite sollen Generalsekretär Alexander Dobrindt, Landesgruppenchef Peter Ramsauer, Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg und drei weitere CSU-Politiker verhandeln. Die FDP will sich erst am Donnerstag festlegen. Klar ist aber, dass der Parteivorsitzende Guido Westerwelle die Delegation anführt. Die schwarz-gelbe Koalition soll spätestens bis zum Jahrestag des Mauerfalls am 9. November im Amt sein.

Merkel hatte zuvor deutlich gemacht, dass die Koalitionsgespräche keine „Dreierverhandlungen“ seien. „Es wird eine Unionsposition geben“ in den Gesprächen mit der FDP, sagte die CDU-Chefin am Montagabend in der ARD. Sie erwartete zudem nicht, dass die Regierungsarbeit mit der FDP einfacher werde als mit der SPD. „Koalitionen sind ja nie Liebesheiraten“, sagte Merkel.

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) forderte, dass in einem Koalitionsvertrag die Unionshandschrift erkennbar sein müsse. Der „Rheinischen Post“ sagte er, in zentralen Fragen gebe es ein „großes Maß an Übereinstimmung zwischen der Union und den Liberalen“. Allerdings dürfe seine Partei die Gewerkschaften nicht der SPD überlassen.

Zündstoff in den Koalitionsverhandlungen stellt das Thema Steuern dar. Merkel sagte in der ARD zwar, sie erwarte angesichts der Haushaltsprobleme, „dass wir in der Steuerpolitik schnell übereinkommen werden“. FDP-Generalsekretär Dirk Niebel machte im „Hamburger Abendblatt“ eine Koalition aber zwingend von einer „echten Steuerstrukturreform“ abhängig. Mit Blick auf Steuersenkungen sagte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), er wäre vorsichtig, einen konkreten Zeitpunkt dafür zu nennen. Union und FDP müssten sich auf ein Konzept verständigen, das über die gesamte Legislaturperiode gehe, sagte der CDU-Vize am Montag in den ARD-Tagesthemen. Die Steuersenkungen müssten ja auch bezahlt werden. Dafür sei aber Wirtschaftswachstum notwendig.

FDP-Vize Andreas Pinkwart mahnte einen „politischen Neuanfang“ an. „Wir sollten nicht im Vorfeld der Koalitionsverhandlungen ganze Bereiche von den Verhandlungen ausnehmen“, sagte Pinkwart angesichts der Festlegung von Merkel, an den Beschlüssen der großen Koalition zum Mindestlohn und zum Gesundheitsfonds festhalten zu wollen. Führende FDP-Politiker forderten allerdings am Dienstag die Abschaffung des Fonds. „Wir werden in den Koalitionsverhandlungen sicher sehr intensiv darüber zu reden haben“, sagte Niebel.

Die bayerische FDP-Vorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kündigte wiederum harte Koalitionsverhandlungen in der Innen- und Rechtspolitik an. Notwendig seien „Gesetzesentschärfungen“, sagte die frühere und möglicherweise auch künftige Bundesjustizministerin in München.