Die Umfragen sind schwach. Doch das ficht SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier nicht an. Für ihn ist der Ausgang der Bundestagswahl offen.

Berlin. Mit einem betont kämpferischen Auftritt hat Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier die SPD auf eine Aufholjagd für die Bundestagswahl in gut 100 Tagen eingeschworen. Trotz unverändert schwacher Umfragen stellte sich der SPD-Wahlparteitag am Sonntag in Berlin geschlossen hinter den Spitzenmann, der demonstrativ Siegeszuversicht verbreitete. „Ich will gewinnen“, rief Steinmeier eine Woche nach dem Debakel bei der Europawahl. „Das Ding ist offen“, zeigte er sich mit Blick auf den 27. September überzeugt.

In der Rede, die von den mehr als 500 Delegierten über zehn Minuten lang begeistert gefeiert wurde, kündigte der Außenminister einen „fulminanten Wahlkampf“ und eine scharfe Auseinandersetzung mit Union und FDP über die künftige politische Richtung an.

Auch nach den Worten von Parteichef Franz Müntefering wird die SPD mit „klarem Kopf und heißem Herzen“ den Kampf ums Kanzleramt aufnehmen. Wer die SPD schon „im Staub oder auf den Knien“ sehe, täusche sich. Die Partei müsse jetzt „kühles Blut“ bewahren und dürfe sich nicht einreden lassen, die Wahl sei schon entscheiden. Ohne größere Kontroversen wurde über das Wahlprogramm beraten. Die SPD will mit dem Versprechen, Geringverdiener und Familien mit Kindern zu zu entlasten, in den Wahlkampf ziehen. Im Gegenzug sollen Vermögende und Spitzenverdiener stärker zur Kassen gebeten werden.

Nach Steinmeiers Worten wird die SPD ab sofort den Arbeitnehmern klarmachen, was ihnen blühe, wenn Schwarz-Gelb am 27. September ans Ruder komme. Beide Parteien wollten das Land in eine ganz „andere Richtung“ treiben. Die Alternativen lauteten deshalb: „Soziale Gerechtigkeit oder das marktradikale Prinzip.“ „Nur mit uns bleibt der Sozialstaat intakt“, sagte der Kanzlerkandidat.

Gleichzeitig warnte Steinmeier seine Partei, die Mitte der Gesellschaft zu räumen. Die SPD kämpfe für die Verkäuferin und den Bauarbeiter. „Aber genauso sind und bleiben wir die Partei der neuen Mitte“, erklärte er in Anwesenheit von SPD-Altkanzler Gerhard Schröder, der diesen Begriff geprägt hatte. Steinmeier bekannte sich ausdrücklich auch zu den rot-grünen Arbeitsmarkt-Reformen. Es gebe keinen Grund, „dass wir abschwören“. Deutschland profitiere noch heute davon, dass damit Millionen in Arbeit gebracht und die Reserven der Sozialkassen gefüllt worden seien. „Andere haben sich darauf ausgeruht“, sagte er in Richtung von CDU/CSU.

Der Vizekanzler verteidigte sein Engagement bei Opel und Arcandor, vermied aber persönliche Attacken auf Unionspolitiker wie Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Für ihn bleibe aber richtig: „Arbeit ist besser als Insolvenz.“ Es sei eine „Verlogenheit“, wenn jetzt nur mit Steuergeldern argumentiert werde. „Die Union spielt sich als Hüter der Staatskasse auf, aber greift die ganze Zeit tief hinein“, erklärte er unter Hinweis auf Milliardenforderungen von CDU-Ministerpräsidenten an den Staat zur Rettung ihrer Landesbanken.

Nach Steinmeiers Worten muss verhindert werden, dass die „krachend gescheiterte Ideologie der Marktradikalen" erneut Fuß fasse. Union und FDP hätten mit ihren Rezepten die jetzige Krise mit verursacht. Einem Zurück zur Kernenergie oder einer Lockerung des Kündigungsschutzes werde sich die SPD entschlossen entgegenstellen. Die Sozialdemokratie stehe für die Sicherung von Arbeitsplätzen, einen Mindestlohn, größeren Bildungschancen und Verwirklichung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit von Frauen.

Steinmeiers Auftritt stieß in den eigenen Reihen auf ein durchweg positives Echo. Die Rede habe „Kopf und Bauch“ der Partei erreicht, sagte SPD-Vize und Finanzminister Peer Steinbrück. „Alle SPD- Landesverbände werden sich für dich zerreissen“, rief Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck Steinmeier zu. Auch die Parteilinke zeigte sich angetan. „Wir haben das bessere Programm und den besseren Kanzler“, sagte der Kieler SPD-Landeschef Ralf Stegner.

Auch die Grünen begrüßten Steinmeiers kämpferische Rede. „Es ist gut, wenn die SPD jetzt angreift“, sagte Fraktionschefin Renate Künast. Dagegen warf CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla dem Koalitionspartner vor, „immer weiter nach links“ zu rücken. Die SPD habe sich Monate vor der Bundestagswahl in die Opposition verabschiedet. CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer sagte, Steinmeier und Müntefering versuchten, eigene Ratlosigkeit mit „niveaulosen Verbalattacken“ gegen den Koalitionspartner und einem „Blindflug nach links“ auszugleichen.