Das Buch ist eine Gesamtschau des Bombenkrieges, die das Leiden der Deutschen in den Mittelpunkt rückt. Eine Relativierung der Angriffe Hitlers auf Rotterdam oder Coventry?

Hamburg. 213-mal flogen britische und amerikanische Bomberverbände zwischen 1940 und 1945 Luftangriffe auf Hamburg. 210 dieser Angriffe sind in unserem historischen Gedächtnis jedoch kaum verankert - obwohl sie insgesamt mehr als 6000 Menschen töteten. Der Grund dafür lässt sich benennen: "Gomorrah" - der Horror, der alles übertraf. Gomorrah hieß das Unternehmen des britischen Bomber Command, das in den drei Tagen und Nächten des 25., 27. und 29. Juli 1943 knapp 40 000 Hamburger durch einen bis dahin nie erlebten Feuersturm in den Tod riss. Von da an sprach der Chef von Bomber Command, Arthur Harris, vom "Hamburgisieren" deutscher Großstädte.

"Die etwa 40 000 Gefallenen der Juli-Angriffe 1943 sind neben denen Dresdens, Tokios, Hiroshimas und Nagasakis Chiffren des Äußersten, was Waffengewalt der Kreatur zufügt", schreibt der Berliner Historiker Jörg Friedrich dazu in seinem Buch "Der Brand". Und damit ist auch schon der Rahmen aufgestellt, in dem sich Friedrichs Gesamtschau über den Beginn, den Ablauf und die Folgen des Bombenkriegs gegen Deutschland abspielt.

Minutiös und schauderhaft bis ins Detail werden die Schicksale von rund 60 deutschen Städten beschrieben, die dem strategischen Luftkrieg zum Opfer fielen. Dabei kamen schätzungsweise 600 000 Zivilisten ums Leben. Auf Hamburg fielen im Zweiten Weltkrieg insgesamt 1,7 Millionen Bomben - eine Bombe für jeden Einwohner.

Der Luftkrieg der Alliierten sollte helfen, den Krieg schneller zu beenden. Die Strategie wurde bald zweigleisig gefahren: Attacken auf Schienenwege, Fabriken und Kohlereviere sollten die Rüstungskraft schwächen, Angriffe auf Zivilquartiere die Durchhaltemoral der Bevölkerung schwächen. Beides hat nicht funktioniert: Die Rüstungsmaschinerie lief noch im Sommer 1944 auf Hochtouren, und die Bevölkerung dürstete nach jedem Luftangriff nach noch mehr Vergeltung.

"Zwischen 1940 und 1943", schreibt der Autor, "formt sich die Absicht, aus der Luft Vernichtungsräume auf den Boden zu setzen, worin Mittel und Moral zur Kriegsfortsetzung nicht mehr entstehen." Zu diesem Zweck entwickelten die Briten ein Verfahren, das es erlaubte, ein präzise eingerahmtes Feld zu markieren, innerhalb dessen die Flugzeuge ihre tödliche Fracht abladen konnten. Zuerst fiel Sprengmunition, die Häuser aufriss, Wasserleitungen zerstörte und die Menschen in die Keller trieb. Dann luden die britischen Lancaster- und die amerikanischen B-17-Bomber Brandstäbe ab, die den Feuersturm anfachten.

Diese Feuerstürme wuchsen zu 1400 Grad heißen, orkanartigen Heißluftströmen an, die Menschen entweder auf der Straße versengten oder in den "Nebenhöllen der Keller" wie "in einem Krematorium" durch die äußere Hitze verbrennen ließen. Wer nicht verbrannte, starb an Gasvergiftung, hervorgerufen durch Sauerstoffentzug und Kohlenmonoxideintritt. 80 Prozent aller Hamburger Opfer starben so.

Gemessen an der Einwohnerzahl litt die militärisch bedeutungslose badische Stadt Pforzheim am meisten. Am 24. Februar 1945 lud die britische Luftwaffe 1551 Tonnen Bomben über ihr ab. In einer "Feuerzone von viereinhalb Quadratkilometern" verbrannten 20 000 der 65 000 Einwohner. Zehn Tage zuvor, in der Nacht des 14. Februar, zerstörten britische Bomber Dresden. Mit 40 000 Toten war dies das schaurigste Blutbad.

Knapp eine Million Menschen hielten sich in der Stadt auf - "so entlegen und kriegsunerheblich, dass man sie viereinhalb Jahre ignoriert hatte". In Dresden, klagt der Autor an, hätten die Alliierten methodisch demonstrieren wollen, "was die Mittel hergaben". Fünfstellige Tötungszahlen seien da nicht passiert, "sie wurden hergestellt". Das Unternehmen "Donnerschlag" trieb die Bewohner wie gehabt in die Keller, entfachte dann den Feuersturm. Wegen der Gasgefahr kletterten die Leute aber nach zwei Stunden wieder aus den Kellern heraus. Da flog Bomber Command seine zweite Angriffswelle.

Die stärksten, weil menschlich berührendsten Abschnitte hat das Buch im letzten Drittel. Da geht es um die Ängste der Zivilisten in den Kellern und Bunkern, dem Grauen nach dem Angriff, wenn von Familienangehörigen nur noch Rumpfteile zu finden waren. In Dresden wurden die Toten zu Hunderten auf riesigen Eisenrosten auf dem Altmarkt verbrannt. In Leipzig waren 250 Soldaten, ausgestattet mit "Extra-Rationen Cognac", drei Wochen damit beschäftigt, 1800 Tote zu beerdigen.

Friedrichs Buch ist eine verdienstvolle, teilweise virtuose Gesamtschau auf den alliierten Bombenkrieg, die das Leiden der Deutschen in den Mittelpunkt rückt. Es deutet nichts darauf hin, dass der Autor damit die Verantwortung der Deutschen für Verbrechen wie in Rotterdam, Coventry oder Warschau relativieren will.