Überraschendes Eingeständnis der Supermacht. Kanzlerin Merkel wird gefeiert – und ein G8-Staatschef hüpft sogar vor lauter Freude.

Deauville. Die hoch verschuldeten USA sichern ihren G8-Partnern eine neue Sparpolitik zu. „Die Vereinigten Staaten werden einen klaren und glaubwürdigen Rahmen zur mittelfristigen Haushaltskonsolidierung schaffen“, heißt es im Entwurf für die Abschlusserklärung für den G8-Gipfel in Deauville. Das Dokument, das noch geändert werden kann, liegt der Nachrichtenagentur dpa in einer Kopie vor. Diplomaten sprachen am Rande des Spitzentreffen von einem ungewöhnlichen Zugeständnis. Seit langem gibt es Druck der internationalen Partner auf Washington, sein Schuldenproblem in den Griff zu bekommen. Die Staats- und Regierungschefs der G8 debattierten in dem französischen Seebad über die öffentlichen Finanzen in Europa und in den USA.

Im April hatte die Ratingagentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit der USA infrage gestellt. Sie wolle deren Bonität zwar weiter mit der Bestnote „AAA“ bewerten. Die Agentur senkte aber den Ausblick für die langfristige Beurteilung von „stabil“ auf „negativ“. Die USA werden von hohen Defizite und Schulden geplagt. Laut Ökonomen dürfte das Defizit der USA im laufenden Jahr 9,1 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. Für die Eurozone wird im Schnitt 4,3 Prozent erwartet. In der EU gibt es die Regel, dass Defizite nicht die Marke von 3 Prozent überschreiten dürften – viele Länder liegen jedoch darüber.

Derweil zeigte sich, dass Angela Merkel in Deauville gleich zu Anfang eine besondere Behandlung erfährt. Nicolas Sarkozy, Gastgeber des G8-Gipfels, kann bei der Begrüßung gar nicht mehr aufhören, zu lächeln, führt sie eigens zu ein paar Schaulustigen am Absperrgitter. Die Kanzlerin schüttelt Hände, Frankreichs Staatschef wirft vor Freude die Arme in die Luft. Heile politische Welt. Am Ende scheint dem Franzosen so viel Volksnähe der Deutschen doch zuviel, Frau Merkel muss ein paar schnelle Schritte einlegen, um dem enteilenden Gastgeber zu folgen. Beide lächeln ohne Unterlass – so entspannt kann ein Gipfelauftakt sein.

Noch mehr Ehre wird da nur noch Barack Obama zuteil. Sage und schreibe fast eine halbe Stunde zu spät taucht der US-Präsident auf, und dann hat er noch seinen russischen Kollegen Dmitri Medwedew im Schlepptau – Obama gibt sich nicht mal die Mühe zu verbergen, dass er zuvor eine Zweier-Treff mit dem Russen hatte. Dennoch tritt Sarkozy nochmals in den böigen Wind, um die beiden zu begrüßen.

Obama wirkt entspannt, als sei er auf einem Ausflug. Die Menschen hinter den Absperrgittern überschlagen sich fast, halten ihre Handys zum Schnappschuss in die Höhe. Obama war in Europa immer schon beliebter als im eigenen Land, offensichtlich ist er es heute noch – heile politische Welt in Deauville eben. Doch der wirkliche „Mann im Glück“ ist derzeit zweifelsohne Sarkozy. Erst ist Dominique Strauss-Kahn (DSK), sein ärgster Widersacher, für die Präsidentenwahlen ausgeschieden. Jetzt kann sich „Sarko“ im Glanz des Gipfels sonnen. „DSK erledigt, Sarkozy ist König in seinem G8-Reich“, titelt die Pariser Zeitung „Liberation“, die Sarkozy noch nie leiden konnte.

Aber Sarkozy hat noch einen viel besseren Trumpf im Ärmel. Als seine Frau Carla Bruni-Sarkozy ins Rampenlicht tritt, hält das halbe Land den Atem an. Ohne Hemmungen nehmen die Kameras dieser Welt das sanft gewölbte Bäuchlein ins Visier, das sich unter dem weißen Kleid der 43-Jährigen abzeichnet. Seit Monaten überschlagen sich die Gerüchte und Spekulationen, an diesem Donnerstag scheint es erstmals so etwas wie einen echten Hinweis auf eine Schwangerschaft zu geben.

Selbstbewusst, glücklich wirkt das ehemalige Topmodel, mehrmals streicht sie mit der Hand über den Bauch, den Mantel hat sie eigens aufgeknöpft – wie eine kleine Demonstration wirkt die Szene. Eine Inszenierung? Böse Zungen behaupten, „Medienmann“ Sarkozy würde das Geraune um die Schwangerschaft geradezu genießen, habe die Gerüchteküche der vergangenen Monate regelrecht angeheizt – eine Vaterschaft gilt als popularitätsfördernd, behaupten die Umfragen, besonders, wenn der angehende Vater 56 Jahre alt ist. Die Bilder der vermutlich Schwangeren drängen die Gipfelthemen streckenweise in den Hintergrund.

Dabei gibt es viel zu tun in Deauville. Arabischer Frühling, Atomsicherheit nach Fukushima, Internet-Kriminalität und nebenbei noch Themen wie Hunger und Elend in Afrika – ernste Themen und ein dichtes Programm für gerade mal 25 Stunden, die der Gipfel dauert. Das Abschlusspapier heißt übrigens „Erklärung von Deauville“. Es geht um Finanzhilfen für die mutigen Länder in Nahost und Nordafrika, die ihre Diktatoren und Dauerherrscher abschütteln. Es geht um mehr Sicherheit in den über 400 Atomkraftwerken in der Welt. „Wir brauchen eine Überprüfung der Sicherheitsstandards auch auf internationaler Ebene“, mahnte Merkel schon aus Berlin. Klingt gut, wer könnte dem widersprechen?

Verabschieden wollen die Gipfelteilnehmer das Abschlusspapier bereits am Freitagvormittag. Es soll alles schnell gehen in Deauville. Seit Jahren zweifeln Kritiker am Sinn und an der Effektivität der G8-Gipfel. Obama sieht die Truppe schon längst als Auslaufmodell. Welche Fragen der Weltpolitik kann man heute noch lösen ohne China, Indien und die anderen Schwellenländer? Doch in Deauville geht es auch um ein altes politisches Ritual: Lächeln, in der Menge baden. Heile Welt eben – und es geht um ein kleines Bäuchlein. (dpa)