Auslöser der Proteste war die Krise in Spanien. Jeder fünfte Erwerbsfähige ist ohne Job. Auch viele Jugendliche sind arbeitslos.

Madrid. Spaniens Demonstranten trotzen den Demo-Verboten: Zehntausende protestierten auch am Wahlwochenende in vielen Städten gegen die Sparpolitik, hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und die Macht der Banken. Die Demonstranten wollen ihre Massenproteste auch nach den Regional- und Kommunalwahlen vom Sonntag fortsetzen. Die Teilnehmer einer Kundgebung in Madrid entschieden, ihre Protestaktion um wenigstens eine Woche zu verlängern.

In anderen Städten des Landes wollten die Demonstranten auf Vollversammlungen ebenfalls über eine Fortführung der Kundgebungen entscheiden. Medienberichten zufolge trat die große Mehrheit für eine Fortsetzung ein. Die Kundgebungen hatten ursprünglich am Wahltag zu Ende gehen sollen.

Auslöser der Protestaktionen war die Krise in Spanien. Jeder fünfte Erwerbsfähige ist ohne Job, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei fast 45 Prozent. Wegen der hohen Verschuldung setzte die Regierung einen strengen Sparplan durch: Beamtengehälter wurden gekürzt, Renten eingefroren, Kündigungen erleichtert.

Als wichtiger Test für die in knapp zehn Monaten anstehende Parlamentswahl galten die Regional- und Kommunalwahlen am Sonntag. Der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) von Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero drohte nach Umfragen eine herbe Niederlage. Dagegen konnte die konservative Volkspartei (PP) mit Zugewinnen rechnen.

Knapp 35 Millionen Wahlberechtigte waren zur Abgabe ihrer Stimmen aufgerufen. Sie entschieden über mehr als 8000 Bürgermeisterposten im ganzen Land. In 13 der 17 autonomen Regionen Spaniens - ausgenommen waren Andalusien, Galicien, Katalonien und das Baskenland – wurden zudem Regionalparlamente gewählt. Diese entsprechen in etwa den Landtagen in Deutschland.

Die Kundgebungen verliefen am Wochenende friedlich, teilte das Innenministerium mit. Solange dies so bleibe, würden sie trotz des Verbots geduldet. Die Regierung hatte die Polizei angewiesen, jede Eskalation zu vermeiden.

In Madrid, Barcelona, Valencia, Sevilla und anderen Städten waren Tausende von Bürgern auf die Straßen und Plätze geströmt, um sich für soziale und politische Reformen einzusetzen. Die Teilnehmer der vor einer Woche begonnenen „spanischen Revolution“ errichteten Protest-Lager auf zentralen Plätzen wie der Puerta del Sol in Madrid oder der Plaza de Catalunya in Barcelona.

Die Bewohner des Madrider Lagers beschlossen auf einer Vollversammlung, in der kommenden Woche ein System von abwechselnden Schichten einzuführen, um zu verhindern, dass die Bewegung im Sande verlaufe. Die Veranstalter betonten, dass die Protestbewegung „Echte Demokratie Jetzt!“ keine politische Partei bilden wolle und auch nicht zum Boykott der Wahlen aufgerufen habe.

Am Freitag und Samstag beteiligten sich nach Angaben des Innenministeriums landesweit rund 60 000 junger Spanier an den Protesten, davon allein 25 000 in Madrid. Mit den Protesten setzten die Demonstranten sich über die zentrale Wahlkommission hinweg, die wegen des Urnengangs jegliche Kundgebungen am Wochenende untersagt hatte.

Aus Solidarität mit dem „spanischen Frühling“ gab es auch Protestaktionen im Ausland, darunter in Hamburg, wo rund 200 junge Menschen vor dem Generalkonsulat Spaniens zusammenkamen. In Berlin versammelten sich am Brandenburger Tor rund 400 Menschen, um sich mit den Demonstranten in Spanien zu solidarisieren. Auch aus Frankfurt, München und Düsseldorf wurden ähnliche Versammlungen gemeldet. Kundgebungen zur Unterstützung der „spanischen Revolution“ fanden nach Berichten des Fernsehens auch in Brüssel, Amsterdam, London, Prag, Budapest, Rabat, Bogotá oder Buenos Aires statt.

Der stellvertretende Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Günther Maihold, sieht in den Protesten mehr als nur eine Reaktion auf die Wirtschaftskrise des Landes. Sie seien eine „Abwehrreaktion gegen das Establishment“, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Der französische Autor Stéphane Hessel, dessen Essay „Empört euch“, einer der Leitfäden der Proteste in Spanien ist, begrüßte die Kundgebungen, merkte aber auch kritisch an: „Die Demonstranten dürfen nicht nur gegen etwas sein, sie müssen auch für etwas sein.“