Ein E.ON-Sprecher weist den Vorwurf zurück. Am Wochenende sind nach der Abschaltung des Reaktors Emsland nur vier Kernkraftwerke am Netz.

Berlin. Streit vor der Abschaltung des Reaktors Emsland zur Revision am Sonnabend: Atomkraftgegner haben vor einem «inszenierten Blackout» gewarnt. Obwohl dann nur noch vier Kernkraftwerke am Netz seien, führen die Energieversorger ihre Reserve an Gas- und Kohlekraftwerken nicht hoch, kritisierte am Freitag der Sprecher der Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt, Jochen Stay. Ein Sprecher des Stromerzeugers E.ON wies den Vorwurf auf dapd-Anfrage zurück: «Alle betriebsbereiten Kraftwerkskapazitäten sind verfügbar.»

Stay sagte, die Stromversorgung in Deutschland könne auch sichergestellt werden, wenn die meisten oder gar alle Atomkraftwerke abgeschaltet seien. Es brauche dazu die Bereitschaft der Stromkonzerne, dies auch zu organisieren. Tatsächlich nähmen die Betreiber ihre abgeschalteten Gas- und Kohlekraftwerke aber bewusst nicht ans Netz und provozierten so Schwankungen im Netz. «Wir befürchten, dass die Stromkonzerne einen Blackout bewusst inszenieren könnten, um die Bevölkerung in der Debatte um den Atomausstieg zu verunsichern», erklärte Stay.

Die Stromkonzerne hatten bereits Anfang Mai zusätzlich zum Moratorium der Bundesregierung weitere Atomkraftwerke für Revisionen vom Netz genommen. Ab dem Wochenende werden vorübergehend nur noch die Kraftwerke Brokdorf, Neckarwestheim II, Gundremmingen C und Isar II laufen.

Ein RWE-Sprecher wies darauf hin, dass Revisionen mit langer Vorlaufzeit geplant würden. So sei die des Atommeilers Emsland bereits lange vor der Katastrophe in Japan und dem Moratorium der Bundesregierung geplant worden. Am Mittwoch oder Donnerstag werde der Reaktor Grundremmingen B wieder ans Netz gehen, was die Stromversorgung im Süden Deutschlands entlasten werde.

Die Bundesnetzagentur hatte schon Anfang des Monats dringend davon abgeraten, weitere Kapazitäten vom Netz zu nehmen, und empfohlen, die sogenannte Kaltreserve – also die abgeschalteten Kraftwerke – wieder zu aktivieren.

Der E.ON-Sprecher wies darauf hin, dass es mehr als ein Jahr dauern könne, die eingemotteten Kraftwerke wieder ans Netz zu nehmen. Zur Reaktion auf kurzfristige Engpässe seien sie ungeeignet. Sein Konzern verfüge derzeit über zwei Anlagen, die notfalls reaktiviert werden könnten. (dapd/abendblatt.de)

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Trotz des geplanten Atomausstiegs will die Bundesregierung den Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland nicht beschleunigen. Stattdessen hält sie an dem Ziel fest, dass bis 2020 rund 35 Prozent des Stroms aus Sonnen-, Wasser- und Windkraft oder Biomasse gewonnen werden. Das geht aus dem Entwurf für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hervor. Das 35-Prozent-Ziel war bereits vor der Atomlaufzeitverlängerung verankert worden. Die Opposition und die Ökobranche kritisierten, Stromkonzerne würden bei der Förderung bevorzugt. Derzeit werden rund 17 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien gewonnen.

Besonders die meist von großen Energieunternehmen betriebene Windkraft auf See soll stärker gefördert werden, während Subventionen für Biogasanlagen und Windkraft an Land gekappt werden sollen. Der Grünen-Energieexperte Hans-Josef Fell kritisierte den Entwurf. Anstatt, wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert, den Ausbau der erneuerbaren Energien im Stromsektor zu beschleunigen, schreibe Umweltminister Röttgen das alte 35-Prozent-Ziel fort.

Klaus Müschen, Abteilungsleiter Klima und Energie beim Umweltbundesamt, sieht das anders: "Die starke Förderung der erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren war sehr erfolgreich. Mittelfristig aber müssen sich die regenerativen Energieformen auch ohne staatliche Förderung am Markt etablieren", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Es komme jetzt vor allem darauf an, die deutschen Stromnetze und auch die Speicherkapazitäten deutlich auszubauen.