Für Menschen, die in die Volkszählung fallen und nicht ausreichend Deutsch können, hat das Statistische Bundesamt vorgesorgt.

Hamburg/Wiesbaden. Ob Englisch, Türkisch oder Arabisch – die Musterfragebogen zum Zensus 2011 sind in vielen Sprachen erhältlich. Damit soll gewährleistet werden, dass auch Menschen mit eingeschränkten Deutschkenntnissen die Fragen beantworten können, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden zum Start des Zensus 2011 am Montag mitteilte. Bei der Volksbefragung werden in den kommenden Wochen zehn Prozent der Einwohner sowie alle Haus- und Wohnungseigentümer direkt befragt.

Für die Haushaltebefragung werden laut dem Statistischen Bundesamt Musterfragebogen in 13 Sprachen angeboten: Darunter sind Bögen auf Englisch, Türkisch, Russisch, Italienisch, Polnisch, Griechisch, Arabisch, Portugiesisch, Französisch, Rumänisch, Spanisch, Vietnamesisch und ein Bogen auf Bosnisch/Kroatisch/Serbisch.

Für die Befragung der Eigentümer von Gebäuden und Wohnungen stehen Musterfragebogen den Angaben zufolge in folgenden Sprachen bereit: Englisch, Türkisch, Russisch, Italienisch, Polnisch sowie Bosnisch, Kroatisch und Serbisch. Die Fragebogen zur Befragung in Wohnheimen und Gemeinschaftsunterkünften wurden in Englisch, Türkisch, Russisch, Polnisch und Spanisch übersetzt.

Die übersetzten Fragebogen dienen dabei allerdings nur dem besseren Verständnis. Die Angaben müssen immer in die offiziellen deutschsprachigen Zensus-Fragebogen eingetragen werden.

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Die letzte Volkszählung ist kaum 24 Jahre her. Doch seitdem ist viel passiert: Die Mauer ist gefallen, aus zwei Deutschlands wurde eins, die Deutschen wurden mobiler denn je – und älter. Und jede Volkszählung birgt Tücken und hat erstaunliche Ergebnisse offenbart. So kam zuletzt 1987 heraus, dass zum Beispiel in Berlin (West) über 100.000 Menschen weniger lebten als gedacht. Auch in Universitätsstädten wie Bonn waren zu viele Einwohner vermutet worden. Das hat Auswirkungen auf die Verteilung der Steuereinnahmen, auf den Länderfinanzausgleich und vieles mehr.

In Deutschland leben vermutlich eine Million Menschen weniger als Politik und Verwaltung derzeit glauben. Davon geht der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Gert Wagner, aus. Wagner ist Vorsitzender der unabhängigen Zensus-Kommission, die die Zählung wissenschaftlich begleitet. „Das Hauptziel besteht darin, die genaue Zahl der Bevölkerung festzustellen, in Deutschland insgesamt und in jeder einzelnen Gemeinde und Stadt“, erklärte Wagner. Auch Wahlkreise werden anhand der Bevölkerungszahl zugeschnitten. Bei einem Umzug müssten sich Bürger aber nicht abmelden. Möglicherweise ergibt der Zensus nach Angaben Wagners auch, dass die Bevölkerungszahl von Hessen überschätzt wurde. Das Bundesland könnte dann einen Sitz im Bundesrat verlieren.

Wenn die erste gesamtdeutsche Volkszählung an diesem Montag beginnt, werden rund ein Drittel der mehr als 80 Millionen Einwohner befragt. Hintergründe finden Sie auch im Internet unter www.zensus2011.de . Auskunft geben müssen Immobilienbesitzer, Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften und zehn Prozent der Einwohner, die zufällig ausgewählt werden. Bestimmte Daten aller Bürger werden aus den Melderegistern der Kommunen und dem Register der Bundesagentur für Arbeit zusammengetragen. Die letzte Zählung in der damaligen Bundesrepublik gab es unter großen Protesten im Jahr 1987. In der DDR wurde das letzte Mal 1981 gezählt. Der Zensus 2011 geht zurück auf eine Verordnung der Europäischen Union.

Der „Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung“ kritisiert unter anderem, dass bei der Volkszählung auch Fragen gestellt werden, die über den von der EU geforderten Umfang hinausgehen – zum Beispiel zum Migrationshintergrund und zur Religion, wenngleich diese Frage freiwillig beantwortet werden kann. Zudem fürchtet der Arbeitskreis, dass mit den zusammengetragenen Daten konkrete Rückschlüsse auf den einzelnen Bürger möglich sind.

Der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, hat Zweifel an dem Aufwand geäußert. „Ob sich die hohen Kosten für den Zensus rechnen, werden wir wohl erst dann wissen, wenn die Ergebnisse vorliegen“, sagte Schaar dem Hamburger Abendblatt in der vergangenen Woche. Er frage sich aber schon, „warum nicht eine Erhebung allein aus den Registern ausgereicht hätte.“ Schaar kritisierte zudem eine Frage nach der Religion in dem Zensus-Fragebogen. Weder die Abfrage der Religionszugehörigkeit noch die des Glaubensbekenntnisses sei europarechtlich vorgegeben, sagte der Datenschützer. Er habe die Aufnahme dieser Frage bei den Beratungen des Zensusgesetzes kritisch bewertet – „leider ohne durchschlagenden Erfolg“. Er forderte daher, die Befragten darauf hinzuweisen, „dass die Angabe des Glaubensbekenntnisses freiwillig ist.“

Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert hält die Volkszählung für nicht notwendig. NDR Info sagte er, es lägen genügend auswertbare Informationen in den verschiedenen Behörden vor. Als Beispiel nannte er die Rentenversicherung, die Bundesagentur für Arbeit und die Melderegister.

Wofür wird die Volkszählung gebraucht?

In erster Linie geht es darum, die exakten Einwohnerzahlen für Deutschland, die Bundesländer und die Kommunen festzustellen. Davon hängen etwa die Zahlungen im Länderfinanzausgleich oder auch die Einteilung der Wahlkreise ab. Die amtliche Bevölkerungszahl lag Ende 2009 bei 81,8 Millionen Menschen. Diese Zahl ist nach einem ersten Zensustest im Jahr 2001 aber voraussichtlich deutlich zu hoch.

Welche Auswirkungen haben die Ergebnisse?

Die Behörden wollen beim Zensus 2011 auch herausfinden, wie viele Wohnungen es in Deutschland gibt, wo in den kommenden Jahren wie viele Kinder eingeschult werden oder wo Altenheime benötigt werden. Die bisherigen Daten aus der letzten Volkszählung im Jahr 1987 reichen als Grundlage nicht mehr aus. Seit mehr als 20 Jahren werden die Zahlen durch statistische Verfahren berechnet.

Wie funktioniert die Volkszählung?

Zum Großteil beruht der Zensus auf Daten aus Verwaltungsregistern. Dazu zählen etwa Angaben aus den Melderegistern der Kommunen. Zusätzlich gibt es eine gesonderte Gebäude- und Wohnungszählung. In Deutschland gibt es für Gebäude und Wohnungen flächendeckend keine Verwaltungsregister. Ein wesentlicher Bestandteil des Zensus ist aber auch die Haushaltsbefragung. Dies ist aus Sicht der Statistiker unter anderem notwendig, weil die Verwaltungsdaten keine verlässlichen Informationen zur Bildung oder zum Migrationshintergrund liefern.

Wie viele und welche Bürger werden direkt befragt?

Rund 7,9 Millionen Menschen sollen an der Haushaltsbefragung teilnehmen, also etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Diese wurden durch ein Zufallsverfahren ermittelt. Alle ausgewählten Haushalte bekommen eine schriftliche Terminankündigung. Die rund 80.000 Interviewer, die von diesem Montag an unterwegs sind, müssen bei ihrem Besuch einen speziellen Zensus-Ausweis vorzeigen. Wer den Fragebogen ohne Hilfe ausfüllen will, kann diesen nur annehmen und danach an die zuständige Erhebungsstelle schicken.

Muss der Fragebogen beantwortet werden?

Ja, es besteht eine Auskunftspflicht. Nur die Frage nach der Religion ist freiwillig. Die Behörden erhoffen sich von dieser umstrittenen Frage ein besseres Verständnis des Integrationsprozesses von Zuwanderern und ihrer Kinder.

Wonach wird bei der Haushaltsbefragung gefragt?

Der Fragebogen enthält 46 Fragen, etwa zu Bildung und Ausbildung, Erwerbstätigkeit oder zum Migrationshintergrund. Das Ausfüllen des Fragebogens soll ungefähr zehn Minuten dauern.

Ist der Datenschutz gewährleistet?

Die Behörden versichern, dass alle Daten geschützt sind. Alle individuellen Angaben bleiben demnach geheim. Die gesetzlichen Grundlagen verbieten es zum Beispiel, erhobene Daten an andere Behörden oder Institutionen wie etwa Finanz- oder Sozialämter weiterzugeben.

Wann liegen die Ergebnisse der Volkszählung vor?

Erste Ergebnisse sollen im November 2012 vorliegen. Die detaillierte Auswertung soll ab Mai 2013 präsentiert werden.

Wie teuer ist der Zensus 2011?

Es wird mit Gesamtkosten von 710 Millionen Euro gerechnet. Davon entfallen 85 Millionen Euro auf das Statistische Bundesamt und 625 Millionen Euro auf die Länder. Der Bund trägt die Kosten des Bundesamtes und gewährt den Ländern zusätzlich einen Zuschuss von 250 Millionen Euro.

Mit Material von dpa/AFP