Trotz des Absturzes der Südwest-FDP bei der Landtagswahl ist die Landesvorsitzende bestätigt worden. Erst im zweiten Wahlgang genug Stimmen.

Stuttgart. Birgit Homburger hat die Kampfkandidatur um den baden-württembergischen FDP-Landesvorsitz knapp gewonnen. Erst im zweiten Wahlgang erhielt die 46-Jährige, die auch um die Führung der FDP-Bundestagsfraktion kämpft, die erforderliche relative Mehrheit. Sie schlug ihren Herausforderer, den Europaabgeordneten Michael Theurer, am Sonnabend beim Sonderparteitag in Stuttgart im zweiten Wahlgang mit 199 zu 192 Stimmen.

Im ersten Wahlgang, bei dem eine absolute Mehrheit erforderlich ist, hatte sich ein Patt ergeben: Auf beide Kandidaten entfielen je 180 Stimmen. Theurer, der als ehemaliger Horber Oberbürgermeister in seiner Bewerbung den Akzent vor allem auf Einbindung der Basis gelegt hatte, lehnte es nach der verlorenen Kandidatur ab, sich wieder in die Stellvertreterposition wählen zu lassen. Der Kandidat hatte auch dazu aufgerufen, das Feld der Ökologie und Energiewende nicht kampflos den Grünen zu hinterlassen.

Die 46-jährige Konstanzer Bundestagsabgeordnete geht mit ihrem Erfolg im Rücken in ihren Kampf um den Chefsessel in der Bundestagsfraktion. Dieser wackelt nach der verlorenen Landtagswahl und der Krise der FDP. Einige Landesverbände wollen auf die wichtige Schaltstelle zugreifen. Ein Delegierter warnte deshalb auch davor, durch eine Abstrafung Homburgers den Homburger-kritischen schleswig-holsteinischen Liberalen Jürgen Koppelin und Wolfgang Kubicki in die Hände zu spielen.

Auch Baden-Württembergs Landtagsfraktionschef Hans-Jürgen Rülke forderte ein Signal zugunsten Homburgers an Berlin, denn dort gehe es „auch um Machtverschiebungen innerhalb der FDP“. Demnächst soll über vorgezogene Neuwahlen der Fraktionsspitze entschieden werden. Die FDP im Südwesten hatte bei der Landtagswahl Ende März mit 5,3 Prozent der Stimmen ein historisch schlechtes Ergebnis eingefahren, für das Homburger mitverantwortlich gemacht wird. Sie versprach, das Profil der FDP und ihre Kernkompetenzen zu stärken. Mit einem gelben Blumenstrauß in der Hand appellierte sie an die Partei, jetzt gemeinsam wieder nach vorne zu schauen.

Zuvor waren die Delegierten mit ihrer Spitze hart ins Gericht gegangen. Im Visier der Parteitagsdelegierten war insbesondere die Zustimmung der Partei zum Kauf der milliardenteuren Anteile am Energieversorger EnBW durch die CDU/FDP-Koalition ohne Einbindung des Landtags. Denn sie laufe der grundsätzlichen Skepsis der Liberalen gegenüber Verstaatlichungen und ihrem Einsatz für den Parlamentarismus zuwider – „ein Supergau“, wie ein junge Liberaler zusammenfasste.

Auch der „Kuhhandel“ beim nächtlichen Alkoholverkaufsverbot für das Zugeständnis der CDU, kürzere Sperrzeiten mitzutragen, habe zu einem Glaubwürdigkeitsverlust der Partei beigetragen, monierte Juli-Landeschef Jens Brandenburg. Beim umstrittenen Bahnprojekt Stuttgart 21 habe die FDP viel zu spät ihre Unterstützung offensiv vertreten. Brandenburg resümierte: „Wir haben nicht alles falsch gemacht, aber auch sehr, sehr viel nicht richtig gemacht.“

Die Redner gingen auch mit der künftigen grün-roten Landesregierung ins Gericht. Homburger warf der grün-roten Koalition vor, Baden-Württemberg nach links zu führen. Als Beispiel für einen „Linksruck“ nannte sie eine Passage im Koalitionsvertrag ausschließlich zum Rechtsextremismus. Aus ihrer Sicht sei aber der Extremismus von links ebenso gefährlich. „Die neue Landesregierung ist offensichtlich auf dem linken Auge blind.“

Zudem warf sie Grün-Rot Wirtschaftsfeindlichkeit vor. Das Wirtschaftsministerium sei zerschlagen worden und werde mit dem Finanzressort zusammengelegt. „Der Mittelstand sitzt künftig am Katzentisch“, sagte Verwaltungswissenschaftlerin.

Den mit Abstand stärksten Applaus des Tages erhielt der frühere Landeschef Walter Döring für seinen leidenschaftlichen Beitrag, in dem er den Liberalen Mut zusprach. Er sagte mit Blick auf die Wahl des künftigen grünen Ministerpräsident Winfried Kretschmann am kommenden Donnerstag: „Am 12. Mai beginnt die neue Runde, und in fünf Jahren hauen wir Euch vom Acker.“ (dpa)