Hamburg. Freitag beginnt die Apfelsaison. Es wird eine mittlere bis gute Ernte geben, sagt der Altländer Apfelbauer Reinhard Quast im Podcast.

Heute beginnt offiziell die Apfelsaison im Alten Land. Es wird eine mittlere bis gute Ernte geben, sagt Apfelbauer Reinhard Quast aus Hamburg-Neuenfelde im Abendblatt-Podcast „Schmeckt‘s?“. Er vertrat viele Jahre im Vorstand des Bauernverbands Hamburg die Interessen der Obstbauer. Das Abendblatt-Gespräch um Anbau und Vermarktung, Sorten und Frostnächte zeigt: Auch im Alten Land sind Themen wie Klimawandel und Allergien längst angekommen. Frühäpfel sind schon einige Wochen am Start – jetzt beginnt die Vermarktung der ersten Lageräpfel.

Nicht nur die Menge, auch die Qualität werde gut, sagt Quast. Dabei fing das Erntejahr für die Obstbauern anstrengend an: „Wir hatten aufgrund des relativ milden Winters eine frühe Entwicklungsphase der Bäume. Das heißt, dass wir früh bei Frost beregnen mussten, um die Blüten zu schützen. Wir nutzen dabei den Effekt, dass beim Wechsel des Aggregatzustands von Wasser zu Eis Wärme frei wird. Normal sind acht- bis zehn Beregnungen im Frühjahr. In diesem Jahr waren es 26.“

Durch den Klimawandel treiben die Kirsch- und Apfelbäume wesentlich früher aus. Nicht erst im April, sondern teilweise schon Ende Februar/Anfang März. Dann werden die Bäume frostempfindlich. Und Frostnächte gibt es weiterhin bis Ende Mai. 26 Beregnungen seien hart an der Schmerzgrenze, sagt der Obstbauer – „man muss die Anlagen ja noch befahren können“. Immerhin gelangten durch den Frostschutz 300 Liter Wasser pro Quadratmeter in den Boden. Das half beim Austrieb nach einem Winter, der ein Niederschlagsdefizit hinterließ.

70.000 Apfelbäume

Der Familienbetrieb Quast bewirtschaftet 23 Hektar, auf denen knapp 70.000 Apfelbäume wachsen. Im Herbst sind zusätzlich zwölf bis 17 Erntehelfer am Werk, bei Pflegemaßnahmen im Sommer oder Winter drei bis vier Mitarbeiter. Quast ist froh, dass er jetzt erst seine Erntehelfer braucht und nicht schon im späten Frühjahr, als das Coronavirus besonders stark wütete. Dennoch habe er Angst, dass unter seinen Arbeitern einer dazwischen ist, der infiziert ist: „Dann heißt es: Quarantäne. Der Betrieb wird dicht gemacht. Die Folge wäre, dass die Äpfel an den Bäumen blieben.

Und was schon geerntet wurde, kommt nicht mehr auf den Markt.“ Generell hadert Quast mit den Personalkosten. „Wir müssen zu Bedingungen produzieren, die die Konkurrenz in anderen Ländern nicht hat“, sagt er. „Zum Beispiel der Mindestlohn. Jeder soll von seiner Arbeit leben können und gut klar kommen. Aber dann muss auch ein etwas höherer Preis akzeptiert werden, der daraus entsteht. Die Verbraucher wurden über Jahrzehnte an ‚gut und günstig‘ gewöhnt. Unsere Produktion ist arbeitsintensiv. Äpfel und Kirschen müssen von Hand gepflückt werden, um Tafelobstqualität zu bekommen.“

Die Auslagen der Supermärkte zeigen es: Das Alte Land ist längst nicht mehr der Obstgarten Hamburgs – Importäpfel aus der halben Welt sind zu haben. Quast: „Für uns Erzeuger wäre es schön, wenn unser Obst verstärkt in die hiesigen Läden käme und dann bevorzugt nachgefragt wird. Es hat kurze Wege, und es ist nachvollziehbar, wo es herkommt. Das ist für alle eine Win-Win-Situation.

Altländer Äpfel treten weite Reisen an

Wenn die Verbraucher auch bei den Äpfeln mehr nach Ware aus der Region fragen, dann würde der Lebensmitteleinzelhandel darauf reagieren.“ Umgekehrt treten Altländer Äpfel zum Teil weite Reisen an.

Quast vermarktet seine Äpfel über den Verbund Elbeobst: „Wir führen unser Obst zusammen, bereiten es zum Teil auf und verkaufen es direkt an den Lebensmitteleinzelhandel, den LEH. Oder an den gebietsansässigen Handel, der das Obst weiterverkauft. Auch der Export wird angeschoben. Man versucht sogar, nach Indien und Taiwan zu exportieren. Unser Hauptsegment ist aber die Vermarktung in Deutschland.“

Wie viel Obst in der Region bleibt, vermag der Apfelbauer nicht zu sagen: „Die Ware, die an die großen Einzelhandelsunternehmen geht, landet zunächst in Zentrallagern und wird von dort verteilt. Die echte Regionalität ist der Markt- und der Hofverkauf. Aber der LEH hat das Thema Regionalität aufgegriffen. Das ist eine schöne Entwicklung. Gerade zu Corona-Zeiten haben wir beim Beerenobst gemerkt, dass die Verbraucher dem Obst aus der Region stärker vertrauen.“ In vielen Supermärkten und Discountern werden inzwischen Lebensmittel aus der Region angeboten.

„Region“ ist ein weiter Begriff

Doch „Region“ ist ein weiter Begriff. Nach einer Untersuchung der Verbraucherzentrale Hamburg können Transportwege von mehreren 100 Kilometern dahinter stecken. Quast: „Früher hatten wir bei der Elbe-Obst unser eigenes Logo. Das ist stark zurückgedrängt worden. „Niederelbe“ ist als Übermarke eher noch zu finden. Aber vor allem gibt es die Eigenmarken des Handels. Sie werden bewusst gesetzt, wohl auch, um eine gewisse Austauschbarkeit der Ware herzustellen.“

Zu Klassikern wie dem Elstar gesellen sich Modesorten. Der Wellant etabliere sich über die Direktvermarktung immer mehr und werde damit für die Erzeuger immer interessanter, so Quast: „Sie merken, dass damit Geld zu verdienen ist und pflanzen die Sorte an.“ Ganz einfach ist diese Entscheidung nicht. „Die Lebensdauer einer Anlage berechnen wir mit 15 bis 20 Jahren“, sagt er.

„Wir müssen also eine Idee davon haben, welche Geschmäcker die Verbraucher in fünf oder zehn Jahren haben. Da hat man Erfahrungswerte, aber es ist auch ein wenig Glückssache. Zu einer neuen Sorte gehört dann auch ein Marketingkonzept.“ Der Kundengeschmack tendiere zu süßeren Äpfeln, sagt der Obstbauer. Seine Hauptsorte bleibe aber der feinherbe Elstar.

Früchte möglichst kühl und dunkel lagern

Ist die Ernte eingefahren, kommt die Hightech-Lagerung. In den heutigen Speziallägern sei es möglich, „die Äpfel ohne nennenswerten Qualitätsverlust bis an die nächste Ernte heranzuführen“, versichert der Obstbauer. „Die Stoffwechselprozesse werden heruntergefahren.

Der Sauerstoff in der Luft wird teilweise bis unter ein Prozent abgesenkt. Dadurch reifen die Äpfel nur noch sehr langsam.“ Da private Haushalte kaum ideale Lagerbedingungen vorhalten können, empfiehlt Quast, nur so viele Äpfel zu kaufen, wie in einigen Tagen verspeist werden können. Die Früchte möglichst kühl und dunkel lagern und keiner Zugluft aussetzen.​