Hamburg. Autorin und Zweifachmutter Uta Allgaier spricht im Podcast über das eigene Scheitern und darüber was Kinder wirklich brauchen.

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Starke Kinder, entspannte Eltern – das wünschen sich wohl alle Mütter und Väter, die zwischen Windelwechseln und Trotzphase, Homeschooling und Gutenachtgeschichten den alltäglichen, wahnsinnig schönen und manchmal unheimlich anstrengenden ganz normalen Wahnsinn des Familienlebens erfahren.

Ein allgemeingültiges Patentrezept hat die Autorin Uta Allgaier zwar nicht, aber die Hamburgerin hat ein Buch geschrieben mit vielen nützlichen Hinweisen und Tipps. Der Titel ist ein großes Versprechen: „Wie Kinder stark werden und Eltern entspannt bleiben – Der Erziehungs-Kompass“, heißt das Buch, das jetzt bei Ellert Richter (14,95 Euro) erschienen ist.

Diese Hamburgerin managt zwei Kinder und zwei Katzen

Die Hamburgerin ist ursprünglich Journalistin und hat sich zum Eltern-Couch ausbilden lassen. Zusammen mit ihrem Mann hat sie, wie sie erzählt, zwei Kinder und zwei Katzen. Über ihr turbulentes Familienleben berichtet sie seit Jahren in ihrem Blog „Wer ist eigentlich dran mit Katzenklo?“ Als sie ihre Kinder – ein Junge und ein Mädchen – bekam, hat sie selbst eine Unmenge von Erziehungsberatern gelesen und die Ratschläge in ihrer Familie gewissermaßen einem Praxistest unterzogen. Was für sie funktioniert hat, beschreibt sie in ihrem Buch, für das sie auch mit vielen Experten sprach.

„Meine ganze Arbeit ist dadurch entstanden, dass es für mich als Mutter am Anfang sehr stressig und sehr schwer war“, erzählt sie im Abendblatt-Podcast „Morgens Zirkus, abends Theater“ rund um Kinder, Jugendliche und Erziehung. Das hatte auch mit dem Spagat zu tun zwischen dem Wunsch, in der ersten Zeit ganz für das Baby da zu sein, und der Sorge, beruflich den Abschluss zu verpassen. Heute sagt sie: „Wenn ich die Zeit zurückspulen könnte, dann würde ich das erste Jahr viel mehr genießen und mich nicht so stressen lassen.“

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Und sie rät, während der Schwangerschaft in der Vorbereitung auf das Baby nicht die ganze Energie darauf zu verwenden, das Kinderzimmer zu renovieren, sondern darauf, vertraute Personen als Babysitter zu suchen. Und sich zur Geburt dann nicht noch einen Strampler oder die vierte Rassel schenken zu lassen, sondern Zeit. „Wenn man ein Kind erwartet, gerät man in den Sog der Ausrüstung. Man sollte Freunde und Familie lieber bitten: Lass uns zusammen kochen oder bringt etwas Leckeres vorbei. Oder: Kannst du mir den Rasen mähen?“, sagt Allgaier.

Expertin rät zu mehr Augenkontakt anstatt auf Handy

Wenn es im ersten Jahr um die Bindung geht, sollten sich Mütter und Väter nicht zu oft vom Handy ablenken lassen. „Augenkontakt spielt beim Säugling eine ganz große Rolle, das war mir selbst damals gar nicht so klar, ich habe beim Stillen oft gelesen“, erzählt die zweifache Mutter. „Die Ermutigung und die Bindung durch den Blickkontakt ist aber wichtig.“ Sie rät, die Smartphonezeiten und die Phasen, in denen man ganz für das Kind da sei, viel stärker zu trennen.

Ganz breiten Raum widmet Allgaier der Frage, ob wir möglichst alle Bedürfnisse unserer Kinder für sie erfüllen sollen, oder ob es sie nicht stärker macht, wenn wir sie früh auch selbst machen lassen?

Fragwürdig: Eltern, die nur um ihr Baby kreisen

Was sie meint, illustriert sie mit einem Experiment der Bindungsforscherin Karen Grossmann. Die hat ein etwa sieben Monate altes Kind zusammen mit deren Mutter in einem Raum beobachtet. Das Kind erreicht seine Rassel nicht. Aber anstatt sie ihm zu reichen, rückt die Mutter das Spielzeug nur ein Stückchen näher, sodass das Baby das Spielzeug mit etwas Anstrengung selbst erreichen kann. Als das geschafft ist, juchzt das Baby vor Freude auf. „Wenn das Baby das Gefühl bekommt, es kann mit etwas Anstrengung etwas allein schaffen, ist das ein riesiges Geschenk für das Selbstgefühl“, sagt Allgaier. Sie findet die Tendenz zur „bedürfnisorientierten Erziehung“ über das zweite, dritte Lebensjahr hinaus deshalb fragwürdig.

Eltern, die nur um das Baby kreisten, gäben ihm nicht den Raum, seine Kompetenzen selbst auszubilden. Das Konzept der „bedürfnissorientierten Erziehung“, wie es der amerikanische Kinderarzt William Sears und seine Frau entwickelt haben, habe zu Recht in Form von viel Körperkontakt, Stillen nach Bedarf und vielleicht auch Schlafen im Elternbett Eingang in den Mainstream unserer Erziehung gefunden. Man dürfe dies aber nicht übertreiben: Früher habe man die Kinder schreien lassen, heute reagierten viele Eltern auf jeden Muckser.

Eltern sollen authentisch bleiben und nicht in Rolle flüchten

Mütter und Väter, die jahrelang ihre eigenen Bedürfnisse völlig zurückstellten und nur für ihre Kinder da seien, täten sich selbst und auch dem Nachwuchs keinen Gefallen, wie Uta Allgaier selbst erfahren hat. „Ich war beseelt davon, die beste Mutter der Welt zu sein“, erzählt sie. „Nach vier oder fünf Jahren habe ich eine Bruchlandung erlebt.“ Sie machte ein Persönlichkeitstraining – auch um mehr zu reflektieren und nicht all das, was sie als Kind erlebt hat, ungefiltert an ihre Kinder weiterzugeben. „Das waren auch viele schöne Dinge, aber man übernimmt auch vieles, das man nicht weiterreichen möchte“, sagt sie.

Sie fordert in ihrem Buch, dass Eltern „fest in ihren Schuhen stehen“ sollen. Damit meint sie: zu wissen, wer ich bin, welches meine Bedürfnisse sind und den Kindern auch die eigenen Bedürfnisse zeigen. „Diese Klarheit ist für Kinder wichtig. Sie wollen ja wissen, wer diese Frau ist, die mich in die Welt gesetzt hat.“ Wofür steht sie? Welches sind ihre Werte? Worüber lacht sie und was verletzt sie? Letztlich geht es darum, authentisch zu sein und sich nicht hinter der Erziehungsrolle zu verstecken. Eine Krise hat bei Allgaier einen Bewusstseinsprozess ausgelöst. Sie hat wieder ihre Hobbys aufgenommen, war entspannter, und die Kinder haben positiv darauf reagiert.

Expertin: Kinder viel mehr in eigene Aufgaben einbeziehen!

Sie rät Eltern auch, nicht zuerst voller Stress die eigene Arbeit zu erledigen, um dann mit den Kindern etwas Kindgerechtes zu unternehmen – in den Zoo gehen oder ins Freibad –, wofür Mütter und Väter dann kaum noch Kraft hätten. Stattdessen solle man die Kinder in die eigenen Tätigkeiten einbeziehen.

Allgaier erzählt von ihrer Kindheit und ihrer Großtante Franziska, die einmal in der Woche ins Haus kam, um die Bügelwäsche zu erledigen. Uta Allgaier durfte mithelfen, bekam ein eigenes Kinderbügeleisen und war für die Taschentücher zuständig. So verbrachten sie den Nachmittag mit Bügeln und Klönen, am Ende gab es stets eine Partie Halma. „Das war für mich ein unheimlich wichtiges Kindheitserlebnis“, sagt Allgaier. Der verstorbene Familientherapeut Jesper Juul habe mal gesagt, Kinder erführen heute kein richtiges Erwachsenenleben mehr, sondern lebten in einer Kindergartenwelt. Allgaier rät daher: nicht so strikt in Zeit für die eigene Arbeit und Zeit für die Kinder trennen, sondern Kinder mit in die eigenen Aufgaben einbeziehen!

Und eine Technik für die Trotzphase hat sich für Allgaier besonders bewährt: Wenn Kinder wütend sind, weil sie nicht das bekommen, was sie sich wünschen, ist es hilfreich, die Gefühle des Kindes zu spiegeln. Beispiel: „Ich weiß, dass die lange Autofahrt für dich anstrengend ist, es fühlt sich richtig doof an, so lange still zu sitzen.“ Und dann kann man die Wünsche der Kinder in der Fantasie erfüllen: „Wäre es nicht toll, wir hätten eine Rakete und könnten uns blitzschnell an unseren Urlaubsort schießen?“ Das Kind muss lachen, fühlt sich verstanden – Lage entspannt.