Lars Haider spielt mit Kunsthallen-Direktor Alexander Klar „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Heute: ein Werk von Pieter de Hooch.

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Einmal die Woche spielen Hamburgs Kunsthallen-Direktor Alexander Klar und Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider „Ich sehe was, was du nicht siehst“ – und zwar mit einem Kunstwerk. Eine halbe Stunde schauen sich die beiden ein Gemälde, eine Fotografie oder eine Skulptur an und reden darüber: „Ein Gespräch ist die beste Möglichkeit, Kunst zu erschließen“, sagt Alexander Klar.

Eine junge Frau in einem reich bestickten Seidenkleid empfängt einen ebenfalls elegant gekleideten Mann in der gefliesten Diele ihres Bürgerhauses. Er überreicht ihr mit respektvollem Blick und in gebeugter Haltung einen Brief. Mit der rechten Hand hebt die Frau ihr Kleid an, mit der linken hält sie einen Schoßhund auf dem Arm. Sie blickt dem Boten schüchtern, aber auch mit erwartungsvoller Neugier entgegen.

„Die Frau scheint sich vom Virginal im Hinterzimmer erhoben zu haben, um den Boten zu empfangen, den der Hund zu ihren Füßen anknurrt“, vermutet Thomas Ketelsen in seinem Sammlungstext. „Durch die hellbeschienene Türlaibung mit der Signatur des Künstlers geht der Blick über einen Kanal auf die gegenüberliegende Häuserfront.“

"Der Liebesbote" von Pieter de Hooch

Der Titel dieses Ölgemäldes, das sich seit 1888 in der Sammlung der Hamburger Kunsthalle befindet, lautet „Der Liebesbote“. Der niederländische Barockmaler Pieter de Hooch, 1629 in Rotterdam geboren, 1684 in Amsterdam gestorben, schuf dieses um 1670. Hier, wie in vielen anderen Bildern, werden häusliche Szenen aus dem privaten Leben gutsituierter holländischer Bürger dargestellt.

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© Hamburger Kunsthalle / bpk | Elke Walford

Doch überhöht de Hooch diese mit Hilfe von „Perspektive und Lichtführung, so dass die Illusion eines Innenraumes entsteht, die reale Lebenswirklichkeit ironisiert wird und als moralische Ermahnung erscheint“, so die Kuratorin Sandra Pisot. „Geöffnete Türen sind wie geöffnete Fenster die Schnittstellen von privater und öffentlicher Welt. Mit dem Brief trägt der Bote ein Signal aus der Außenwelt in diese ruhige Häuslichkeit.“

Erotische Szene wird als bildlicher Kommentar zur Briefübergabe gedeutet

Das große, schwarz gerahmte Bild über dem Boten zeigt eine nackte Frau in den Armen eines älteren Mannes. Als Vorlage diente ein Ausschnitt aus Jan Saenredams Kupferstich „Lot und seine Töchter“ (1597) nach einer Komposition von Hendrick Goltzius, so Ketelsen. Die erotische Szene wird als bildlicher Kommentar zur Briefübergabe gedeutet. Verstärkt wird die moralisierende Deutung der Szene noch durch den Phallus an der Tür.

„Das warme Goldgelb des Kleides, das leuchtende Karminrot des Stuhles und das Taubenblau des Mantels mit dem roten Aufschlag bestimmen den Farbeindruck“, so Ketelsen.„Einen besonderen Reiz stellen die farbigen Lichtreflexe dar, etwa das Rot im Kleid der Frau und in der Schleife des Hundes.“ De Hooch suggerierte mit diesen Farben eine Art Einvernehmen zwischen den beiden Figuren.

Neben dem Lokalkolorit, den der spätere Delfter Künstler immer wieder in Gestalt von Kacheln und Fliesen einarbeitete, kennzeichnen ethische Themen sein Schaffen. Auch in „Ein Paar mit einem Papagei“ (1675/1680) warnt der Maler die Frau vor der Verführung durch den sie besuchenden Mann und zeigt – wie zum Vorwurf – in der dunklen Kammer liegengebliebene Hausarbeit. Auf diese Weise lädt er nicht nur die dargestellten Szenen symbolisch auf; de Hooch erhebt auch sich selbst zum molarisierenden Mahner seines Genres.

Dieses und weitere Werke finden Sie in der Online-Sammlung der Hamburger Kunsthalle