Lars Haider spielt mit Kunsthallen-Direktor Alexander Klar „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Heute: ein Werk von Giorgio de Chirico.

podcast-image

Die Figur, die im Vordergrund auf einer Art Sockel oder Matratze ruht, könnte eine griechische Statue sein. Entspannt stützt sie ihren Kopf auf ihre Hand, mit der anderen greift sie sich ins Haar. Im Hintergrund steht ein dunkles Gebäude mit einer großen Uhr, das zwar Schatten auf den Boden, nicht aber auf die Statue wirft. Im Vordergrund rechts sieht man einen Arkadenbogen, der, typisch für Giorgio de Chirico, einen scharfen Schlagschatten wirft. Dahinter erstreckt sich eine menschenleere Piazza. Am Horizont steigt weißer Rauch auf, daneben stehen zwei Palmen. Wie in vielen seiner Bilder erkenn man ein sonderbares Licht. Dessen Quelle ist nicht im Bild zu sehen.

Giorgio de Chirico (1888–1978) malte sein Bild „Der Lohn des Wahrsagers“ im Jahre 1913 mit Öl auf Leinwand. Seine Werke gelten als Beispiele für die „Pittura Metafisica“, der „Metaphysischen Malerei“. Geboren wurde er in Griechenland. Die Antike spielt in seinen Bildern eine besondere Rolle. Gips- oder Marmorköpfe sowie Statuen und Anspielungen auf antike Mythen findet man häufig bei ihm.

„Der Lohn des Wahrsagers“ aus dem Jahr 1913 von Giorgio de Chirico .
„Der Lohn des Wahrsagers“ aus dem Jahr 1913 von Giorgio de Chirico . © VG Bild-Kunst, Bonn 2019 /Artists Rights Society (ARS), New York / SIAE, Rome

Kunsthistoriker halten die Bilder für kafkaesk

Für die menschenleeren Piazzen, die er malte, soll ihn die Piazza Vittorio in Turin inspiriert haben. Er war ein Verehrer der Schriften von Friedrich Nietzsche. Dessen Kollege Arnold Gehlen nannte de Chiricos Werke „Angstversionen“. Viele Kunsthistoriker halten die Bilder außerdem für kafkaesk, weil er darin einen Kult der Rätselhaftigkeit betreibt. Der Kunsthistoriker Paolo Baldacci schrieb: „Die Zertrümmerung jedes rationalen Schemas, das Zerbrechen aller bürgerlicher Gewissheiten und die Zerstörung der vermeintlich gesicherten Werte sind Teil der in Ferrara entstandenen metaphysischen Kunst. Auf keine Frage darf man eine Antwort erwarten. Alle Deutungen versagen, welche auch immer man versucht.“ Das rückt ihn zugleich in die Nähe des Surrealismus.

De Chirico war weit gereist. Er lebte in München, Mailand und Florenz. Besonders wichtig war seine Zeit in Ferrara, wo er die Grundlagen für die „Pittura Metafisica“ schuf. Er war für den Kriegseinsatz als untauglich erklärt worden und konnte den Ersten Weltkrieg in einer Schreibstube verbringen. Vorher war er bereits vom Militärdienst desertiert, nahm dann aber das Angebot einer Amnestie an und kehrte nach Italien zurück. Seine Mitstreiter waren Giorgio Morandi, Carlo Carrà und sein Bruder Alberto Savinio.

Eigentlich soll in der Kunsthalle am 22. Januar die Ausstellung „De Chirico – Magische Wirklichkeit“ eröffnet werden und bis zum 25. April laufen. Gezeigt werden sollen darin rund 60 Werke aus seiner wegweisenden Phase von 1909 bis 1919. Dazu will die Kunsthalle Bilder von Arnold Böcklin und von Max Klinger stellen. Ob es so kommt, steht in den Sternen. Die Ausstellung war ursprünglich schon für 2020 geplant.