Hamburg. Harald Vogelsang spricht im Podcast „Entscheider treffen Haider“ über die Corona-Zeit bei der Sparkasse und einen Kulturwandel.

Seine Großmutter hat ihm tatsächlich ein rotes Sparbuch in die Wiege gelegt, seine Familie ist in vierter Generation Haspa-Kunde – und Harald Vogelsang seit 13 Jahren Sprecher der größten deutschen Sparkasse, die in Hamburg und Umgebung rund 1,5 Millionen Kunden hat. Mit Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider spricht Vogelsang darüber, wie (schön) es ist, ein Unternehmen zu führen, das sich selbst gehört. Außerdem geht es ums Duzen und um Krawatten, um Negativzinsen und befürchtete Kreditausfälle. Das ganze Gespräch hören Sie unter www.abendblatt.de/entscheider.

Das sagt Harald Vogelsang über ...

... seine Vorgänger:

„In der Rolle als Sprecher der Haspa waren das nur zwei: Karl-Joachim Dreyer und Peter Mählmann. Das beschreibt den größten Teil der Nachkriegshistorie, weil die Haspa-Sprecher immer sehr lange­ Amtszeiten hatten oder haben. Die Altersgrenze liegt aktuell bei 67.“

… Angebote von anderen Banken:

„Ich hatte mal ein spannendes Angebot aus London, das war faszinierend, passte aber nicht zu meinen familiären Bedürfnissen. Und ich erinnere mich an die Anfrage einer Bank, deren Schriftzug grün war und bei der ich Vorstand hätte werden können. Die Bank gibt es nicht mehr …“


… die Suche nach Führungskräften:

„Wir gucken traditionell im eigenen Haus, aber auch außerhalb. Über lange Zeiträume hat die Haspa Wert darauf gelegt, dass von den fünf Vorstandsmitgliedern zwei aus anderen Firmen kommen und neue Ideen mit reinbringen. Das scheint mir ein gutes Prinzip zu sein.“

… den Kultur- und Kleiderwandel bei der Haspa:

„Es ist weithin wahrgenommen worden, als ausgerechnet im konservativen Hamburg und ausgerechnet bei der konservativen Haspa die Krawatten abgenommen wurden. Tatsächlich haben wir insgesamt die Anforderungen an die Bekleidung der Mitarbeiter geändert: Es muss bei uns keiner mehr im Anzug oder im Kostüm kommen, die meisten machen das auch nicht mehr. Das war ein gutes Signal, unser Kulturwandel geht aber weit darüber hinaus.

Wir sind dabei, das ganze hierarchische Gedöns abzuschaffen: Zum Beispiel kann mich jeder Mitarbeitende, der das möchte, gern duzen, das ist bei uns jetzt völlig normal, und wir fühlen uns damit sehr wohl. Wir lassen in den Projekten immer mehr die jungen Leute nach vorn, in den Vorstandsrunden stellen sie selber ihre Themen vor. Wir verzichten auch auf Fahrer für jeden einzelnen Vorstand. Es gibt noch Dienstwagen. Meinen benutze ich allerdings aktuell nicht, weil ich seit März konsequent mit dem Fahrrad zur Arbeit komme, jeden Tag 32 Kilometer.“

… die Corona-Zeit bei der Haspa:

„Weniger als die Hälfte der Mitarbeiter war bei uns im Homeoffice, weil wir uns als einzige Bank entschieden haben, alle Filialen offenzuhalten. Wir haben gesagt: In der Not müssen wir doch für unsere Kunden da sein. Die 2000 Kolleginnen und Kollegen, die in den Filialen arbeiten, haben einen großartigen Job gemacht, für den ich sie sehr bewundert habe. Daneben hatten wir in der Spitze 1000 Mitarbeiter, die sich nur um die Firmenkunden gekümmert haben.

Wir wollten, dass die Hilfsgelder so schnell wie möglich durchgeleitet werden, und das ist in einer einzigartigen Gemeinschaftsaktion auch sehr gut gelungen. Insgesamt hatten wir zum Glück übrigens nur 15 Corona-Fälle unter unseren Mitarbeitern, die sich alle außerhalb der Haspa angesteckt haben. Noch eine Zahl: Für den Schutz unserer Mitarbeiter, wie Masken, Desinfektionsmittel, Spuckschutzwände und einiges mehr, haben wir inzwischen mehr als eine Million Euro ausgegeben.“


… die Krise im historischen Vergleich:

„Wenn man sich die Krisen ansieht, die die Haspa in ihrer langen Geschichte erlebt hat, dann gehört die Corona-Krise zu den weniger dramatischen. Sie trifft alle Menschen gleich, die Politik geht gut damit um, es werden keine Städte bombardiert, die Demokratie funktioniert noch. Das ist eine ganz andere Situation als zum Beispiel 1945.“


… die Haspa, die sich selbst gehört:

„Entstanden ist das durch eine geniale Idee vor mehr als 190 Jahren. Hamburg wollte eine eigene Sparkasse haben, die aber auf eigenen Füßen stehen sollte. Die Stadt wollte damit auf Dauer nichts zu tun haben. Hamburg hat damals ein Gründungsdarlehen gegeben, das die Haspa schnell zurückgezahlt hat – und deshalb gehört die Haspa bis heute sich selbst. Wir haben keine Eigentümer, an die wir Gewinne ausschütten müssen. Immer, wenn es Gewinne gibt, werden diese der Sicherheitsrücklage zugeführt, so sieht es unsere Satzung vor.

Die Sicherheitsrücklage ist das, was bei anderen Unternehmen Eigenkapital genannt wird, sie beträgt aktuell 3,6 Milliarden Euro. Wir im Vorstand müssen dafür sorgen, dass dieses sich selbst gehörende Gebilde gut in die nächste Generation übertragen wird.“

Hören Sie auch:

… Prognosen, dass auf Banken wegen Corona schwierige Monate zukommen:

„Wir werden im nächsten Jahr sehr knifflige Situationen erleben. Darauf bereiten wir uns vor und treffen eine ganze Menge Vorsorge. Die Corona-Hilfsmaßnahmen laufen am Ende des ersten Quartals 2021 ziemlich zur gleichen Zeit aus. Das kann schon zu größeren Schwierigkeiten bei unseren Kunden führen. Insgesamt ist es gut, dass wir das heute alles schon wissen.

Und es hilft, dass 2019 und die ersten Monate von 2020 für viele Unternehmen sehr gut gelaufen sind. Wir haben in unseren Planungen für 2020 und 2021 sehr hohe Vorsorgen für Kreditausfälle eingeplant. Für die Has­pa rechnen wir in diesen beiden Jahren nicht damit, dass wir Gewinne machen. 2020 und 2021 werden eher Nullerjahre werden, und das wäre schon ein gutes Ergebnis.“

… Immobilienfinanzierungen:

„Auf dem Immobilienmarkt kommt Corona im Moment unterschiedlich an. In einigen Bereichen, etwa bei den Vermietern von Hotels oder Gaststätten, ist es bitter. Aber der größte Teil unserer Immobilienfinanzierungen kommt aus dem Bereich der Wohnwirtschaft, da gehen die Preise eher noch mal nach oben. Und bei Ferienimmobilien gilt: The sky is the limit. Das Interesse an Häusern und Wohnungen an Nord- und Ostsee ist so groß wie wahrscheinlich noch nie.“

… die Haspa-Filialen:

„Wir reduzieren die Anzahl der Filialen auf 100, die wir aber für viel Geld runderneuern. Sie werden auf jeden Fall die nächsten zehn Jahre bestehen. Was danach ist, müssen wir sehen, vielleicht bleiben es 100, vielleicht werden daraus 80 oder 70, das weiß ich heute nicht. Aber grundsätzlich kann ich mir eine Has­pa ohne Filialen nicht vorstellen, dafür ist uns die Verankerung in die Nachbarschaft hinein zu wichtig.“

… Negativzinsen:

„Wir versuchen, Negativzinsen für unsere Kunden so lange es irgendwie geht zu vermeiden. Das Problem ist: Wenn unsere Wettbewerber beginnen Negativzinsen zu nehmen, dann wandert das Geld zu uns. Wir haben in diesem Jahr bisher zwei Milliarden Euro Kundeneinlagen mehr erhalten, als wir geplant hatten. Im Moment haben wir zwischen drei und fünf Milliarden Euro Kundeneinlagen, auf die wir bei der Europäischen Zentralbank selbst Negativzinsen zahlen müssen. Das federn wir noch ab. Wenn man sich wegen Corona an der Nulllinie des Ertrags bewegt, ist es mit dem Abfedern aber irgendwann auch mal zu Ende.“

… die Grunderwerbssteuer bei Immobilienkäufen:

„Die Nebenkosten bei einem Immobilienerwerb liegen inzwischen bei mehr als zehn Prozent des Kaufpreises, das Geld ist einfach weg. Ich fände es schön, wenn sich die Politik mal Gedanken darüber machen würde, dass diejenigen, die sich zum ersten Mal ein Haus oder eine Wohnung kaufen, eine niedrigere Grunderwerbssteuer zahlen müssen.“