Hamburg. Rechtsmediziner Klaus Püschel über einen Insassen, der stranguliert, erstochen und durch Hiebe am Kopf verletzt wurde.

Tausend Jahre Knast. Mindestens. All die Mörder, Bankräuber, Geiselnehmer, Vergewaltiger, auf engstem Raum versammelt: Das ist die Hamburger Haftanstalt Fuhlsbüttel.

Wer hier hinter Gittern einsitzt, in diesem Gefängnis überwiegend für Langzeithäftlinge, hat schwerste Straftaten begangen. Hier leben Mörder und Erpresser, Kinderschänder und Terrorhelfer. Da kann sich auch eine bedrohliche, vielleicht sogar explosive Stimmung breitmachen.

Haftanstalt Santa Fu: 1994 eskalierte das Miteinander

Dieses schwierige Miteinander erreicht am 12. Januar 1994 einen Kulminationspunkt. An diesem Morgen wird ein Mann in seiner eigenen Zelle tot aufgefunden. Ermordet. Die Täter haben ganze Arbeit geleistet. Sie haben ihr Opfer so massiv traktiert, dass in der Rechtsmedizin später nicht nur eine, sondern drei Todesursachen festgestellt werden.

„Solche Mordopfer, deren Tod geradezu nach dem Ergebnis einer Gewaltorgie aussieht, erleben wir auch in der Rechtsmedizin selten“, erklärt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittel­acher.

Opfer wurde stranguliert und erstochen

„Der 51-Jährige ist stranguliert sowie erstochen worden. Darüber hinaus haben seine Mörder ihn mit massivsten Hieben auf den Kopf erschlagen. Es herrschte offensichtlich eine sehr große Entschlossenheit in Bezug auf den Tötungswillen, zugleich wurde mit besonderer Brutalität vorgegangen.“ Es handele sich um ein sogenanntes „Übertöten“.

Das Autorenduo hat den Fall auch in dem Krimi-Sachbuch „Tote lügen nicht“ dargestellt. Was hat die Verbrecher angetrieben? Warum dieser Gewaltexzess? Das Opfer ist selber ein Schwerkrimineller, ein Totschläger, Vergewaltiger und Räuber.

In seinen fast 30 Jahren hinter Gittern hat er sich einen schwungvollen Handel mit Waren, unter anderem Alkohol und Schmuck, aufgebaut. Damit hat er es für Gefängnisverhältnisse zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Und daraus ergibt sich auch ein Mordmotiv: Ihm wurden 2000 D-Mark und Schmuck geraubt.

Blutlache und etliche Blutspritzer in der Zelle

„Die eigentliche Tötungshandlung hat sich in einer Ecke der Zelle abgespielt“, erinnert sich Püschel an den Tatort. „Dort war eine Blutlache, und an den Wänden und Möbeln fanden sich bis in eine Höhe von 70 Zentimetern etliche Blutspritzer.“

Eine Verstopfung des Abwassersystems in Santa Fu am Mordabend bringt eine erste, wichtige Spur. Zerschnittene Kleidungsstücke ragen aus dem beschädigten Fallrohr heraus. Die Textilien werden später als Kleidungsstücke von zwei bestimmten Häftlingen identifiziert.

13 tiefe Platzwunden und mehrere Frakturen des Schädels

Der Verdacht gegen die beiden Männer erhärtet sich, als andere Insassen schildern, sie hätten diese beiden Häftlinge zur Tatzeit beim Betreten beziehungsweise Verlassen der Zelle des Getöteten gesehen. Den Durchbruch bei den Ermittlungen bringen unter anderem die Feststellungen der Rechtsmediziner zu den Kopfverletzungen des Opfers.

13 tiefe Platzwunden, in denen winzigste Lackpartikel sicherstellt werden, und mehrere Frakturen des Schädels lassen darauf schließen, dass die Schläge sehr wahrscheinlich mit einer Bettstrebe zugefügt wurden. Eine Analyse der Lacksplitter und sämtlicher Betten in der Haftanstalt, bei denen eine Bettstrebe fehlt, liefert den nächsten Hinweis: Die Mordwaffe stammt mit größter Wahrscheinlichkeit aus dem Haftraum eines der beiden Verdächtigen.

Häftling droht bei Prozess erneut "lebenslänglich"

Vor Gericht sitzen später zwei Männer, die beide bereits lange Gefängnisstrafen verbüßen. Ein 30-Jähriger ist unter anderem wegen mehrfachen schweren Raubes zu 13 Jahren Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt worden. Und sein 34 Jahre alter mutmaßlicher Komplize sitzt wegen Mordes.

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Der gebürtige Thüringer wurde verurteilt, weil er vor seiner Flucht in die Bundesrepublik im Jahr 1982 zusammen mit einem Mittäter einem Bekannten 24.800 Ost-Mark geraubt und das Opfer erwürgt hat. Im Prozess um die Tötung des 51 Jahre alten Häftlings droht ihm erneut „lebenslänglich“, genauso wie dem Mitangeklagten. „Ich war damals als Gerichtsreporterin im Prozess“, erinnert sich Journalistin Mittelacher.

Angeklagte beschuldigten sich gegenseitig

„Beide Männer strahlten eine gewisse Bedrohlichkeit aus. Das lag wohl an ihrer Körpersprache. Denn gesagt haben sie über viele Verhandlungstage nichts.“ Erst in ihrem letzten Wort beschuldigten sie sich gegenseitig. Der Tenor ihrer Aussagen: Der jeweils andere Angeklagte habe die Tötung des Opfers allein begangen.

Doch das Schwurgericht verhängt schließlich gegen beide Angeklagte wegen Mordes sowie Raub mit Todesfolge die lebenslange Freiheitsstrafe. Darüber hinaus stellt die Kammer die besondere Schwere der Schuld fest. Die Tat, so der Richter, sei „von großer Brutalität gekennzeichnet“.