Hamburg. Rechtsmediziner Klaus Püschel berichtet im Podcast über ein Verbrechen, bei dem Ehefrau und Tochter zu Verdächtigen wurden.

Es ist tiefe Nacht, als sich eine schwarz gekleidete Gestalt aus dem Dunkel des Hauseingangs schleicht. Der Mann läuft geduckt zum Nebengebäude, dabei wuchtet er eine Schubkarre vor sich her. Beide Beine eines Menschen hängen schlaff über den hinteren Rand der Karre. Und von vorne, wo sein Kopf zu liegen gekommen ist, tropft unablässig Blut in den lehmigen Boden des Hofes. Die finstere Gestalt setzt einen Spaten an, um ein Grab zu schaufeln – ein Grab, das niemals jemand finden soll.

Der „Stückel-Mord“ in Dithmarschen

Das Böse hat in einem bis dahin ruhigen Dorf in Dithmarschen Einzug gehalten. Hier hat sich ein Verbrechen abgespielt, das schließlich als „Stückel-Mord“ durch die Medien geht. Ein Mann ist im April 2017 von einem Hof verschwunden. Der Verschollene ist der Besitzer der Anlage, der dort mit seiner Frau und zwei Töchtern gelebt hat.

Als seine Frau den 41-Jährigen vermisst meldet und behauptet, der gebürtige Pole habe sich wohl in sein Heimatland abgesetzt, wird lange Zeit niemand misstrauisch. Erst zwei Jahre später meldet sich ein Schüler bei der Polizei und erzählt, was ihn belastet hat: Der junge Mann hatte damals eine verschlüsselte Chat-Nachricht von seiner Freundin erhalten: „Heute bringen wir meinen Vater um.“

Verdacht gegen Ehefrau und Liebhaber

„Nachdem der Schüler zur Polizei gegangen war, richtete sich der Verdacht gegen die Ehefrau sowie deren Liebhaber, einen 46 Jahre alten Mann aus dem Hamburger Rotlichtmilieu“, erzählt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher.

Der neue Liebhaber war schon längere Zeit zuvor mit auf dem Reiterhof eingezogen. Zwischen ihm und dem Ehemann der Hofbesitzerin hatte es daraufhin öfter Streit gegeben. Schließlich durchsucht die Polizei am 5. März 2019 den Hof. In einer Reithalle wird wenig später ein eingegrabener Torso entdeckt. Wo ist der Rest des Leichnams?

Taucher finden Wannen mit gehärtetem Mörtel

Polizeitaucher finden kurze Zeit danach in einem Entwässerungsgraben mehrere Wannen mit gehärtetem Mörtel. Als dieser aufgepickert wird, kommen einbetonierte Leichenteile zum Vorschein. „In der Rechtsmedizin haben wir nachweisen können, dass alle Teile zu dem vermissten 41-Jährigen gehören“, schildert Püschel.

Identifiziert werden konnte das Opfer anhand einer charakteristischen Tätowierung, die ein Clownsgesicht zeigte, sowie anhand seines Zahnstatus. „Die Untersuchung der Leichenteile ergab, dass einzelne Gliedmaßen mit unterschiedlichen Werkzeugen abgetrennt wurden“, so der Experte weiter. „Der Täter hat Messer, Beil und Säge für sein mörderisches Handwerk verwendet. Und als Todesursache haben wir zwei Schüsse in den Kopf ermittelt.“

Ehefrau und Liebhaber vor Landgericht Itzehoe

Den Fall schildern Püschel und Mittelacher auch in ihrem neu erschienenen Krimi-Sachbuch mit dem Titel „Vermisst“. Vor dem Landgericht Itzehoe müssen sich später die Ehefrau und ihr 46 Jahre alter Liebhaber verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Paar vor, den 41-Jährigen in einen Hinterhalt gelockt und heimtückisch ermordet zu haben.

Um ihr Verbrechen zu verschleiern, sollen sie den Toten zerstückelt und die Leichenteile einbetoniert haben. Die beiden Töchter des Opfers treten als Nebenkläger in dem Verfahren auf.

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Zeuge: Tochter am Verbrechen beteiligt

Mehrere Zeugen werden gehört, auch der Schüler, dem die Tochter des Opfers von der Tat erzählt hatte. Der 17-Jährige berichtet, auch das Mädchen sei an dem Verbrechen beteiligt gewesen, indem es mitgeholfen habe, den Vater in die Falle zu locken. Außerdem erzählt ein Mann, mit dem der Angeklagte zusammen in Untersuchungshaft gesessen hat, der 46-Jährige habe ihm die Tat detailliert geschildert.

Nun legt der Angeklagte ein Geständnis ab. Er räumt ein, die tödlichen Schüsse abgegeben zu habe – aus Notwehr. Und er habe die Tat ganz allein begangen. Doch das Gericht glaubt ihm nicht. Es verurteilt beide Angeklagten zu lebenslanger Haft wegen Mordes.

16 Jahre alte Tochter vor Jugendgericht

Die mittlerweile 16 Jahre alte Tochter des Paares wird sich noch in einem gesonderten Verfahren vor dem Jugendgericht verantworten müssen. „Zum Verhängnis wurde dem Opfer nach Überzeugung der Kammer die neue Liebesbeziehung seiner Lebensgefährtin“, erzählt Gerichtsreporterin Mittelacher. „Die 37-Jährige hat, so sieht es das Gericht, den Vater ihrer Töchter loswerden wollen. Und ihr neuer Partner habe die Rolle des Lebensgefährten übernehmen wollen.“ Die Richterin sagte: „Er wollte quasi in die Existenz des Opfers schlüpfen.“