Hamburg. Rechtsmediziner Klaus Püschel berichtet im Podcast über ein Verbrechen, bei dem das Gerät zu einer tödlichen Waffe wurde.

Ein Mann liegt auf dem Boden seiner Wohnung, alleingelassen, hilflos. Er ist überfallen und misshandelt worden. Und zuletzt hat jemand ihn in den dunklen Abstellraum seiner Wohnung gezerrt. Man hat die Tür hinter ihm verschlossen, gnadenlos. So eingesperrt erlebt der 61-Jährige die finalen Minuten seines Lebens. Er spürt eine Enge in der Brust und heftige Atemnot. Und dann ist da nichts mehr. Der Schreck, die Angst, die Schmerzen, die Qualen, die ihm zugefügt worden sind – das Todesurteil für den schwer kranken Mann.

In Einzelfällen kann der Einsatz eines Elek­troschockers tödlich sein

„Dieser tödliche Fall aus dem Jahr 1996 ist ein dramatisches Beispiel dafür, wie gefährlich Elektroschocker sein können. Denn der Hamburger ist mit so einem Gerät traktiert worden – und letztlich an den Folgen gestorben“, erläutert Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. Gemeinhin gelte ein Elektroschocker als nicht tödliche Waffe, so Püschel. „Die Person wird für kurze Zeit paralysiert, bis sie sich wieder vollständig erholt.“ Aber in Einzelfällen könne der Einsatz eines Elek­troschockers tödlich sein, warnt der Experte. „Nämlich dann, wenn der so Verletzte beispielsweise eine Herzschwäche hat.“

Bei dem Fall, den Püschel und Mittel­acher auch in ihrem Krimi-Sachbuch „Tote lügen nicht“ beschrieben haben, will ein Mann einen anderen ausrauben. Was der Täter wohl nicht weiß: Das Opfer hat ein sehr schwaches Herz. Aber manche seiner Gebrechen sind nicht zu übersehen. Der 61-Jährige ist stark übergewichtig und an beiden Beinen unterhalb der Knie amputiert. Der Frührentner sitzt im Rollstuhl. Er ist klar erkennbar ein Mann, von dem nicht viel Gegenwehr zu erwarten ist. Und dieser Hamburger wird nun also in seiner eigenen Wohnung überfallen, ausgeraubt und erbarmungslos gequält.

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Der Räuber flüchtet mit 670 Mark Beute

Er schreit vor Schmerzen, Angst und Schreck, als der Täter einen Elektroschocker gegen ihn einsetzt. Dann wird das Opfer vom Verbrecher in die Abstellkammer gesperrt, weil der Räuber in Ruhe die Wohnung nach Wertsachen durchsuchen will. Als er fündig wird und 670 Mark Beute macht, flüchtet er. Sein Opfer lässt er verletzt und hilflos zurück.

Minuten später stirbt der gemarterte Mann. „Als Todesursache haben wir ein akutes Herzversagen aufgrund vorbestehender, sehr schwerer Herzmuskelvernarbung sowie Kranzschlagaderverkalkung diagnostiziert“, erklärt Püschel. „Das Herzversagen wurde durch das Zusammenwirken der Misshandlungen, insbesondere durch den Einsatz des Elektroschockgerätes, verursacht. Die Auswirkung dieser Übergriffe wurde noch verstärkt durch die zusätzliche Belastung durch Angst, Schreck, Aufregung, Muskelzittern und Blutdrucksteigerung. Die Stromeinwirkung stellte sozusagen den Nagel zum Sarg dar.“

Nachbarn hörten Schmerzensschreie des Opfers

Als mutmaßlicher Täter muss sich knapp sechs Monate nach dem Verbrechen vor Gericht ein 27-Jähriger verantworten, der bei seiner Flucht von Nachbarn beobachtet und in der Nähe des Tatortes von der Polizei festgenommen worden war. Der Angeklagte ist gelernter Kaufmann, der wegen verstärkten Kokain-Konsums in Geldnöten gewesen ist. Er räumt im Prozess ein, den 61-Jährigen beraubt und mit dem Elektroschocker berührt zu haben. Überführt wird er unter anderem wegen des Geständnisses und wegen des rechtsmedizinischen Sachverständigengutachtens.

Der Täter hatte sich für den Überfall mit einer Gaspistole und einem Elektroschocker bewaffnet. Gewaltsam drang er in die Wohnung des gehbehinderten Mannes ein. Dann versetzte der Räuber dem Wohnungsinhaber mehrere Schläge auf den Kopf und setzte zudem das Elektroschockgerät ein. Die Nachbarn hörten ein lautes Knistern, das von dem Gerät stammte, sowie Schmerzensschreie des Opfers – und alarmierten die Polizei. Bis Rettungskräfte ankamen, wollten die Nachbarn dem Verletzten helfen. Aber den Schlüssel, mit dem die Abstellkammer versperrt war, fanden sie zunächst nicht. Durch die Tür redeten sie mit dem Misshandelten. Als Minuten später das Opfer befreit werden konnte, war der Mann bereits tot.

Der Täter musste für zehn Jahre in Haft

Eine sehr tragische Geschichte. Am Ende verurteilt das Schwurgericht den Angeklagten zu zehn Jahren Freiheitsstrafe wegen Raubes mit Todesfolge. Es handele sich bei dem 61-Jährigen wegen seiner Beinamputation und wegen seiner angeschlagenen Gesundheit um ein „besonders hilfloses und wehrloses Opfer“, sagt der Richter. „Dieses wurde in der eigenen Wohnung überfallen, wo sich Menschen besonders sicher fühlen.“ Damit habe der Täter eine „besondere Gleichgültigkeit und eine rohe und erbarmungslose Gesinnung“ gegenüber schwächeren Personen gezeigt.