Hamburg. Im Abendblatt-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ geht es diesmal um ein Gift, das noch viel zu oft Menschen tötet.

Es ist tiefste Nacht. Das rotierende Blaulicht eines Notarztwagens durchschneidet die Dunkelheit. Im Laufschritt eilen Retter zu einem Harburger Mehrfamilienhaus und dort das Treppenhaus hinauf. Es geht um Leben und Tod. Ein 60-Jähriger klagt über akute Herzbeschwerden und hat per Notruf die Feuerwehr alarmiert. Der Kranke wird in eine Klinik gebracht. Wenig später muss in demselben Haus in Harburg eine Rentnerin ins Krankenhaus transportiert werden. Sie ist schwer gestürzt. Und schließlich geht erneut ein Notruf bei der Feuerwehr ein, wieder aus dem Unglücks-Gebäude. Alles nur ein Zufall?

Noch einmal rast der Notarztwagen dorthin. Ein junger Mann, der über massive Übelkeit klagt, wird ins Krankenhaus gebracht. Es ist dieselbe Klinik, in der auch die anderen beiden Kranken aus dem Mehrfamilienhaus behandelt werden. Keiner ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass die drei Menschen gerade eben noch rechtzeitig einer tückischen, einer tödlichen Gefahr entronnen sind.

Feuerwehr entdeckt drei leblose Menschen

Doch nur wenige Stunden später macht die Feuerwehr eine schreckliche Entdeckung: Sie findet nun am selben Ort drei leblose Menschen vor. Der Tod ist schleichend zu ihnen gekommen, geräuschlos, unbemerkt, und er hat gnadenlos zugeschlagen. Die drei Männer sind an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung gestorben. Es ist ein tödliches Gas.

„Seit die Menschen das Feuer kennen, gibt es diese schleichende Gefahr. Es ist ein Mördergas, das durch Wände und Ritzen dringt und sich auch über große Strecken ausbreiten kann“, erzählt Rechtsmediziner Klaus Püschel im Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher.

„Kohlenmonoxid tötet heimtückisch, ohne dass man es bemerkt oder etwas dagegen tun kann. Kein menschlicher Sinn kann die Gefahr wahrnehmen. Wir haben es immer wieder mit Opfern zu tun, die zum falschen Zeitpunkt an einem gefährlichen Ort sind, ohne es zu wissen.“

Eine Elster tötete die junge Frau

Der Tod kann in jedem Raum lauern, jederzeit. Er vergreift sich an ahnungslosen Opfern, und manchmal kriecht er auf bizarren Umwegen an sie heran. So wie bei einer Studentin aus Bremerhaven. Der 27-Jährigen wird zum Verhängnis, dass sie zur Entspannung ein ausgiebiges heißes Bad nehmen will. „Eine Elster hat die Frau getötet“, erklärt Püschel.

„Doch es hat nichts mit einem mörderischen Angriff mit spitzen Schnäbeln und scharfen Krallen zu tun, wie der Meister des Thrillers, Alfred Hitchcock, es sich in seinem Film ,Die Vögel‘ ausgedacht hat“, ergänzt Mittelacher. „Hier gehörte noch eine Verkettung von Zufällen dazu, die zusammen mit der Elster zu dem Tod der jungen Frau führten. Es sind Zufälle, die jeden Lebensweg kreuzen können."

Hochgiftiges Kohlenmonoxid zeigte sich in hellroten Leichenflecken

Der Vogel hatte sich in einem engen Schornstein verfangen und kam nicht mehr heraus. Und als die Frau beim Bad die Therme in Betrieb setzte, verstopfte der Vogel die Abluft, die nun nicht mehr durch den Schornstein nach oben entwich, sondern zurück in das Badezimmer gedrückt wurde. Die Frau hat deshalb hochgiftiges Kohlenmonoxid eingeatmet.

„Das Schicksal der jungen Frau war zunächst von Notfallmedizinern als natürlicher Tod gewertet worden“, erinnert sich Püschel an den Fall. „Aber als ich die Tote gesehen habe, habe ich sofort und schon aus ein paar Metern Entfernung die hellroten Leichenflecke registriert. Diese Totenflecke mit ihrer typischen Farbgebung sind Zeichen einer akuten Kohlenmonoxid-Vergiftung.

Die Obduktion der Studentin hat später meine Einschätzung bestätigt. Darüber hinaus haben wir auch den Vogel seziert. Auch dieser Befund bestätigte die Intoxikation mit Kohlenmonoxid.“

Kohlenmonoxid blockiert Sauerstoffverwertung der Zellen

Die immense Gefahr durch das Gas ist vielen Menschen nicht bewusst. Kohlenmonoxid blockiert die Sauerstoffverwertung der Zellen. Es kommt zunächst zu Kopfschmerz, Schwindel, flacher Atmung, schließlich zu Kreislaufkollaps und Bewusstlosigkeit. Bei einer hohen Konzentration wird es lebensgefährlich. Der Tod tritt rasch ein. Quellen von Kohlenmonoxid sind unter anderem Abgase, Holzkohlegrills und Gasheizungen.

„Solche Intoxikationen zählen nach wie vor zu den am häufigsten tödlich endenden Vergiftungsformen“, warnt Rechtsmediziner Püschel. „Die Gefahr ist dann besonders groß, wenn ein natürlicher Tod bescheinigt und die wahre Ursache nicht erforscht wird.“ So kann es sein, dass Tage oder Wochen später noch ein weiterer Mensch stirbt, wie Püschel und Mittelacher auch in ihrem Krimi-Sachbuch „Tote schweigen nicht“ schildern.

Kohlenmonoxid-Vergiftung statt tödlichem Herztod

Da ist etwa der Fall eines älteren Ehepaares, bei dem der Mann und die Frau beide innerhalb kürzester Zeit verstorben sind und eine Kohlenmonoxid-Intoxikation nicht erkannt wurde. Bei beiden wurde ein plötzlicher Herztod bescheinigt. In der Nacht vor der Beerdigung schliefen die Kinder, die von auswärts angereist waren, im Doppelbett ihrer Eltern. Am nächsten Morgen waren auch sie tot.

„Sogar strafrechtliche Konsequenzen hatte eine Fehldiagnose eines Kollegen“, schildert Püschel. „Als eine 70 Jahre alte Frau, die an Bluthochdruck und Diabetes litt, starb, ging ihr Arzt von einem plötzlichen Herztod aus. „Wenige Tage später war auch ihre 35 Jahre alte Tochter tot, Mutter von zwei kleinen Kindern.

Bei einer einer rechtsmedizinischen Untersuchung wurde eine Kohlenmonoxid-Intoxikation nachgewiesen, ebenso wie bei der nachträglichen Untersuchung der 70 Jahre alten Mutter. „Der Arzt kam vor Gericht und wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt. Das besonders Tragische war ja auch: Zwei kleine Kinder hatten durch seine Fehldiagnose ihre Mutter verloren.“