Hamburg. Im Podcast erzählt Klaus Püschel vom Absturz eines Kleinflugzeugs. Was aussah wie ein Unfall, gleicht dem Stoff eines Psychothrillers.

Es sollte ein wunderschöner Familienausflug werden. Ein unvergessliches Erlebnis: Eine Familie aus Norddeutschland freut sich auf einen Rundflug über ihre Stadt. Doch statt die Freiheit am Himmel genießen zu können, kommt es zu einem tödlichen Absturz. Niemand an Bord der Cessna kann aus den Trümmern lebend geborgen werden. Und was dieses Drama noch entsetzlicher erscheinen lässt: Dieser Flugzeugabsturz ist kein Unglück, wie es zunächst scheint — sondern ein kalt geplanter Mord an mehreren Menschen.

Der Täter ist ein 44-Jähriger. Er hat mit voller Absicht seine Familie ausgelöscht. Und den Tod des Piloten hat der Familienvater mit einkalkuliert. Ohne Bedenken und ohne Mitleid. „Der 44-jährige Familienvater hat damals seinen Abgang ,todsicher‘ geplant“, sagt Rechtsmediziner Prof. Klaus Püschel über den Unfall aus dem Jahr 1984 in der neuesten Folge des Abendblatt-Crime-Podcasts „Dem Tod auf der Spur“ mit Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher. „Wenn ein Flugzeug abstürzt, vermuten Außenstehende eher ein Unfallgeschehen als eine Selbsttötung“, so Püschel.

Cessna 172 zerbirst neben einem Fußballfeld

„Aber für den Suizidenten ist der Tod weiterer Menschen unter Umständen ziemlich gleichgültig. Oder es ist vielleicht sogar seine Fiktion, andere ,mitzunehmen‘.“ 46 Minuten nach dem Start gerät die Cessna 172 plötzlich ins Taumeln und rast schließlich senkrecht zu Boden und zerbirst neben einem Fußballfeld. „Es gab einen Knall, Feuer war zu sehen, dann eine Explosion. Und plötzlich war alles ein Flammenmeer“, schildert einer der Augenzeugen das Unglück. Ein anderer sagt: „Es war ein richtiger Feuerball.“

Zunächst ist nicht bekannt, wie viele Opfer sich in der Maschine und in deren Umfeld befinden. Alles ist in Qualm und Schutt verschwommen, die Unglücksstelle ein Chaos aus Bruchstücken der Cessna. „Einen Flugzeugabsturz aus so großer Höhe wie in diesem Fall mit rund 150 Metern hat noch nie jemand überlebt“, erklärt Püschel. Den Beamten, die nach dem Cessna-Unglück zum Tatort kommen und noch am selben späten Abend die Leichen bergen, bietet sich ein grauenhaftes Bild. Die völlig ausgebrannte Maschine liegt auf dem Rücken.

In den Trümmern werden fünf Tote geborgen, ihre Körper weisen schwerste, multiple Verletzungen auf, an Knochen und Organen, sowie Verbrennungen. Drei der Opfer haben noch ihre Sicherheitsgurte um. Doch diese konnten das Schlimmste nicht verhindern.

Täter rammt Piloten Messer in die Brust

Um die Absturzursache zu ermitteln, wird vor allem der Pilot, ein 52 Jahre alter Mann mit Tausenden Flugstunden Erfahrung, rechtsmedizinisch untersucht. Wegen einer Einengung an der Herzkranzschlagader erscheint ein Herzinfarkt als mögliche Ursache. Aber der wahre Geschehensablauf, der sich wenig später herauskristallisiert, gleicht dem Stoff für einen Psychothriller: Denn während des Fluges setzt der Mann auf dem Platz neben dem Piloten einen lang gehegten, mörderischen Plan um: Er zückt ein Messer, holt aus und rammt die Waffe dem Flugzeugführer in die Brust.

Der schwer verletzte Pilot verliert die Kontrolle über die Cessna und verreißt das Steuer. Das Flugzeug beginnt zu taumeln, stürzt in die Tiefe und zerschellt. Der Familienvater selbst hat dazu beigetragen, dass der Absturz vom Himmel als das erkannt wird, was er tatsächlich ist: ein perfider, kalt geplanter Suizid zusammen mit der Tötung vierer weiterer Menschen. Der 44-Jährige hat seine mörderische Absicht auf einer Tonbandkassette verkündet und diese seinem Bruder zugeschickt. „Wenn ihr dieses Band hört, sind wir bereits bei Oma“, sagt die ruhige Stimme des Familienvaters vom Tonband. Die Großmutter ist einen Monat zuvor gestorben.

Der Fall zeigt, wie wichtig eine gründliche Obduktion ist

„Wir gehen von einem vierfachen Mord aus“, sagt wenig später der Leiter der Ermittlungen, ein Oberstaatsanwalt, vor Journalisten. Zuvor ist wegen des Hinweises auf dem Tonband erneut an der Absturzstelle gezielt gesucht worden. Die Beamten werden fündig: Sie sichern im Brandschutt der Cessna ein Bundeswehrkampfmesser von 26 Zentimeter Länge. An der Klinge sind deutlich Blutspuren zu erkennen. Und es gibt einen weiteren Beweis durch die Sektionsbefunde der Rechtsmedizin, dass das Flugzeugunglück tatsächlich durch eine Messerattacke ausgelöst worden ist.

„Wir konnten den Tathergang mit dem unverhofften Messerangriff rekonstruieren, weil wir in der Brust des Piloten, nachdem wir sie von geschmolzenen und verkohlten Metallteilen und Kleidungsresten gesäubert hatten, eine typische Verletzung feststellten, wie sie durch einen Messerstich entsteht“, erinnert sich Püschel.

Motiv: finanzielle und familiäre Probleme

„Wir fanden am Brustkorb eine klaffende Wunde. Das Sektionsergebnis macht nachdenklich. Wenn es den Hinweis auf das Messer nicht gegeben hätte, hätten wir wohl angenommen, dass die Wunde in der Brust durch ein zerborstenes Stück Blech erzeugt wurde.“ Dieser Fall zeige eindrucksvoll, „wie eine sehr gründliche Obduktion und eine Würdigung der Gesamtumstände das Ergebnis der Ermittlungen entscheidend beeinflussen können“.

Als Motiv für den Familienvater, sich und seine Familie töten zu wollen, nannte der 44-Jährige finanzielle und familiäre Probleme. Auch von Scheidung wird gesprochen. Dass er durch den gewollten Flugzeugabsturz auch noch einen Mord an dem Piloten begeht, scheint den Familienvater nicht zu kümmern. „Ich will heil zu dir zurückkommen“, hat der Pilot immer wieder seiner Frau versichert. „Also bring ich auch meine Passagiere heil nach Hause.“ Doch all seine Umsicht und Erfahrung können ihn nicht gegen die skrupellosen Mordpläne seines Kunden schützen.