Im Abendblatt-Podcast erzählt Klaus Püschel von einer seltsamen Obduktion in Westafrika. Spielte Voodoo eine Rolle?

Die Sonne steht senkrecht am Himmel und hat die Luft auf fast 40 Grad aufgeheizt. Nirgendwo ist Schatten. Gekachelte Wände und Arbeitsflächen aus rostfreiem Stahl sucht man hier vergebens, stattdessen ist der Boden aus gestampftem Lehm und eine behelfsmäßige Wand aus Pflanzenteilen geflochten. Und anstelle eines rechtsmedizinischen Kollegen in Arbeitskittel und mit Skalpell stehen hier Männer in Uniformen bereit, mit finsteren Mienen und dem Gewehr im Anschlag. Man will gewappnet sein, falls Fremde zum Angriff heranstürmen. Denn der Einsatz ist heikel und könnte gefährlich werden.

Es sind höchst ungewöhnliche Bedingungen, unter denen Klaus Püschel, der Direktor des Hamburger Instituts für Rechtsmedizin, im Jahr 2010 einen Leichnam obduzieren soll. Der international renommierte Experte ist ins afrikanische Benin bestellt worden, um einen Toten zu untersuchen und möglichst dessen Identität zweifelsfrei zu klären.

Ist es ein seit Längerem vermisster Regimekritiker? Und spielte Voodoo beim Tod des Mannes eine Rolle?

Voodoo ist in Benin sogar Staatsreligion

Die neueste Folge des Abendblatt-Crime-Podcast „Dem Tod auf der Spur“ mit Rechtsmediziner Klaus Püschel und Abendblatt-Gerichtsreporterin Bettina Mittelacher führt ins westliche Afrika, nach Benin. Dorthin, wo Voodoo so gar nichts zu tun hat mit Hollywoodfantasien, mit Zombies oder Nadelpüppchen, sondern wo Voodoo sogar Staatsreligion ist.

Wie weltweit rund 60 Millionen Menschen, glauben hier die Bewohner an die Macht der Geister. Hier wird kein wichtiger Termin vereinbart und keine bedeutende Entscheidung getroffen, ohne vorher das Orakel zu befragen. Hier ist im Strafgesetzbuch verankert, dass sich strafbar macht, wer die Regenzeit manipuliert. Und hier glaubt man an Auserwählte, die ganz ohne Gewalt oder Gift töten können.

Als im Jahr 2010 ein bekannter Regimekritiker spurlos verschwindet, glauben nicht wenige, die Regierung habe den unbequemen Mann beiseitegeschafft – womöglich durch Voodoo.

„Als Rechtsmediziner weiß ich: Es gibt nichts, was es nicht gibt“, sagt Püschel. „Aber Tod allein durch Magie? Das ist nun wirklich unmöglich. Allerdings war ich natürlich gespannt, als mich im September 2010 die Anfrage aus Benin erreichte. Ich würde Ungewöhnliches und Unbekanntes erleben. Wie ungewöhnlich alles war, zum Beispiel eine Obduktion unter Bewachung von Leuten mit Gewehr im Anschlag, das hatte ich allerdings nicht geahnt.“ Der Regierung war es wichtig, dass der Fall mit dem verschwundenen Regimekritiker aufgeklärt wird. Und man befürchtete Störer, die eine Lösung des Falls boykottieren wollten.

Der Tote war zuletzt in der Hütte eines Magiers gewesen

Eine Ortung des Handys des vermissten Finanzbeamten hatte aufgezeigt, dass der Mann zuletzt in der Hütte eines Magiers gewesen war. Hier nennt man solche Kundigen Féticheur. Dort, hinter dessen Behausung, wurde schließlich auch der Leichnam eines Menschen gefunden, nur notdürftig bedeckt mit etwas Erde. Hitze und Sonne hatten dem Körper erheblich zugesetzt. In einem gesonderten Gefäß waren einzelne Körperteile aufbewahrt. Es waren eine Zunge, ein Ohr, ein Herz und ein Penis.

„Wie sehr in Benin Voodoo zum Leben gehört, spürte ich auch, als wir den Tatort besichtigt haben und die Stelle, an der der Leichnam begraben war“, erzählt Püschel. „Die Werkstatt des Zauberers war ein Sammelsurium eigenartiger Gegenstände: Knochen, Federn, Figuren mit leuchtend roten Augen. Aber selbstverständlich waren hier keine Geister und übernatürliche Kräfte am Werk. Die nähere Betrachtung ergab, dass hier eine Glühbirne versteckt war, die zwei rote Verschlüsse von Colaflaschen durchstrahlte. Und von der Decke hing ein Mobile aus Tierknochen herab.“

Die Erklärung des Féticheurs, wie der Finanzbeamte hier umgekommen ist, hieß damals: Er behauptete, der Beamte sei im Rahmen einer Voodoositzung in Trance gefallen und habe einen tödlichen Kollaps erlitten.

Todesursache ist vermutlich eine Strangulation

Doch tatsächlich ist die Todesursache, wie Püschel bei der Obduktion des Leichnams feststellt, sehr wahrscheinlich eine Strangulation. Das ergibt sich aus Verletzungen an Kehlkopf und Zungenbein. „Außerdem waren die Gesichtsknochen regelrecht zertrümmert. Denkbar ist, dass dadurch die Feststellung seiner Identität erschwert werden sollte – oder der ,böse Blick‘ sollte zerstört werden“, erzählt der Rechtsmediziner. „Auf diesen Gedanken bin ich gekommen, weil ich früher schon Bücher über Voodoo gelesen habe.“

Wie es Püschel gelingt, den Toten als den vermissten Finanzbeamten zu identifizieren und damit die Regierung vom Verdacht zu entlasten, den Regimekritiker mundtot gemacht zu haben, hören Sie ausführlich in unserem Podcast „Dem Tod auf der Spur“ von diesem Sonnabend an auf www.abendblatt.de/podcast oder auf Spotify. Dort erfahren Sie auch, was es mit den herausgetrennten Körperteilen wie Herz und Ohr auf sich hat, was aus dem Féticheur wurde und wie Püschel noch in Hamburg die Geschichte vom „ewigen Leben“ weisgemacht werden sollte.

In früheren Folgen schildern der Rechtsmediziner und Gerichtsreporterin Mittelacher unter anderem die Säurefassmorde, den Todesfahrer von Eppendorf und den Fall eines Altenpflegers, der innerhalb von nur neun Tagen fünf Frauen tötete. Und in der nächsten Folge widmen sich die beiden einem Barkassen-Unglück auf der Elbe, bei dem 19 Menschen ihr Leben verloren.