Berlin. Es gab Hinweise auf den Kindesmissbrauch in Lüdge. Überlastung kann keine Entschuldigung dafür sein, dass er nicht entdeckt wurde.

So idyllisch, frei von Straßenlärm, auf einem leichten Wiesenhang, das Gelände sei ständig unter Aufsicht – lobt der Betreiber vom Campingplatz in Lügde auf seiner Internetseite. Wanderwege führen vorbei, es lockt das Weserbergland.

Wieder einmal trügt die Idylle. Es ist ein Ort, an dem man jetzt nicht sein will. Und schon gar nicht sein vierjähriges Kind einem erwachsenen, fremden Mann hätte anvertrauen sollen.

Seit 2016 gab es Hinweise

So jung war nämlich das jüngste Opfer beim schweren sexuellen Missbrauch durch zwei Männer, die durch einen anderen angeleitet wurden. Liest man die Fakten, das, was jetzt über den Fall bekannt ist, fragt man sich nur, wie konnten nur so viele Menschen nicht hinschauen?

Es gab Hinweise auf sexuellen Missbrauch seit 2016, es gab Mitarbeiter des Jugendamtes, die einem Mann auf Bitten einer Mutter deren sechsjähriges Kind zur Pflege aushändigen.

Es ist nicht zu verstehen, nicht einzusehen, nicht zu glauben. In der heutigen Zeit, in der so viele menschliche Abgründe bereits ans Tageslicht gerückt sind, in denen Jugendamtsmitarbeiter täglich mit schlimmsten Situationen für Kinder konfrontiert sind, in solchen Zeiten gibt man ein Kind lieber in die Obhut eines Mannes, der auf einem Campingplatz lebt, als in eine Einrichtung oder geprüfte Pflegefamilie?

Überlastung darf keine Entschuldigung sein

Solch eine Entscheidung lässt nur folgende Schlüsse zu: Die Jugendamtsmitarbeiter sehen vor zu vielen Fällen nicht mehr klar, sind vielleicht sogar froh, wenn sich einer anbietet als „Pflegevater“. Viele führen jetzt Überlastung als Grund an, zu wenig Mitarbeiter in den Ämtern, aber das darf keine Entschuldigung sein.

Hier muss Politik die personelle Ausstattung der Jugendämter sichern. Das ist umso wichtiger, wenn in diesem Fall auch die Eltern ihrer Aufsichtspflicht nicht nachkommen und ihre Kinder – schon mit vier Jahren! – unbegleitet auf einen Campingplatz gehen lassen.

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