Berlin . Die Soldatin Nariman Hammouti-Reinke wehrt sich gegen das schlechte Bundeswehr-Image. In ihrem Buch rechnet sie mit Vorurteilen ab.

Nariman Hammouti-Reinke ist eine Frau, auf die sich Deutschland verlassen muss, denn sie „dient“ diesem Land, um mit ihren eigenen Worten zu sprechen: auch mit ihrem Leben. Die Soldatin und Muslima mit marokkanischen Wurzeln polarisiert und nutzt diesen Effekt, um für ein besseres Ansehen der Bundeswehr zu kämpfen.

In ihrem Buch „Ich diene Deutschland“ (Rowohlt), das gerade erschienen ist, fordert sie mehr Dankbarkeit und Respekt für die Bundeswehr. Und fordert die Deutschen auf, endlich stolz auf ihr Land zu sein.

Warum der Titel des Buches „Ich diene Deutschland“?

Weil ich Deutschland diene.

Das klingt wie eine Provokation.

Das ist es ein stückweit auch. Aber die Menschen in unserem Land müssen sich im Klaren sein, dass wir tun, was sie mit ihrem Stimmzettel bestimmen. Ich habe geschworen, der Bundesrepublik Deutschland zu dienen – auch mit meinem Leben.

Haben Sie eine Erklärung, warum die Bundeswehr so unpopulär ist?

Viele Menschen haben Vorurteile gegen uns: Soldaten sind blond, 1,85 Meter groß, rechtsradikal und frauenfeindlich. Deswegen wirkt das Cover des Buches von mir in Uniform vielleicht auch so provokativ. Ich will klarstellen, dass es keine typischen Soldaten in Deutschland gibt. Wie divers wir sind und wir uns auch nicht vom Rest unterscheiden. Die Bundeswehr gehört in die Mitte der Gesellschaft.

Sie zeigen deutlich ihr Unwohlsein über den Status der Bundeswehr.

Den meisten Menschen ist gar nicht klar, dass wir eine Parlamentsarmee sind. Wir sind keine homophobe, rassistische Truppe. Bei uns ist es völlig egal, an wen man glaubt, wen man liebt und welche Hautfarbe der Kamerad die Kameradin hat. Bei uns geht die Kameradschaft über fast alles. Wir unterstützen uns gegenseitig, es wird immer darauf geachtet, dass auch der Schwächste die Prüfung besteht.

Aber Staatsanwälte ermitteln derzeit gegen sechs Soldaten wegen Missbrauch, Vergewaltigung, bis Misshandlung von Untergebenen.

Ja, das gibt es. Und diese Soldaten gehören bestraft. Leider, bilden wir damit auch einen Querschnitt der Gesellschaft ab. Aber glauben Sie mir, keiner von uns hört diese Nachrichten und schämt sich nicht fremd. Das, was die machen, fällt auf alle zurück.

Aber die Ansprüche an die Bundeswehr sind besonders hoch. Genauso wie in der Kirche. Solche Fälle wiegen schwer, weil man zu den Beteiligten eigentlich aufschauen will.

Natürlich, haben wir eine Vorbildfunktion. Deshalb ist es auch so wichtig, dass diese Kameraden mit aller Härte unserer Gesetze bestraft werden.

Wie reagiert man auf Sie als Soldatin?

Das Buch „Ich diene Deutschland“ von Nariman Hammouti-Reinke.
Das Buch „Ich diene Deutschland“ von Nariman Hammouti-Reinke. © Rowohlt Verlag | Rowohlt Verlag

Wenn ich sage, was ich mache, können das viele nicht glauben. Fragen, „Wie so richtig?“ Als ob man nur halb Soldatin sein könnte. Und: „Aber doch sicher im Sanitätsdienst?“ oder wenden ein: „Aber du bist doch Muslima!“ Und auch noch eine Frau! Dann antworte ich tatsächlich, dass der Dienst an der Waffe für Frauen seit 2001 erlaubt ist. Und wir genau dasselbe Gehalt wie unsere Kameraden bekommen. Das alles zusammen, ist für viele unglaublich. Um dann mit der Frage abzuschließen, ob ich überhaupt richtige Deutsche bin. Was ich bin.

Ist unsere Gesellschaft noch nicht bereit für Soldaten mit nichtdeutschen Wurzeln?

Naja, auf jeden Fall erleben solche Sachen auch andere Kollegen. Besonders mit schwarzer Hautfarbe, denen man den Migrationshintergrund deutlich ansieht. Ich stand mal in Neubrandenburg an einer Supermarktkasse. Ich hatte die Uniform an und vor mir standen zwei Männer, sie beschimpften mich, haben mich aufgefordert den Markt zu verlassen. Beim Rausgehen sagte einer von ihnen zu mir: „Sogar dort klauen sie uns die Jobs.“

Die Leute wollten, dass Sie das Geschäft verlassen?

Ja. So etwas muss man aber ignorieren. Aber dieser eine Satz, der ist mir geblieben. Der hat mich verletzt.

Wie sind Sie Soldatin geworden?

Ich komme aus einer sehr militärfreundlichen Familie. Mein Vater wollte auch immer, dass meine Brüder in die Bundeswehr eintreten. Mit denen hat das nicht geklappt, aber mit mir. Wirklich aber begeistert hat mich 2001 der Film „Pearl Habor“. Danach war ich sicher: Ich gehe zur Bundeswehr! Ich habe aber noch ein bisschen abgewartet, weil ich mich nicht gleich getraut habe. Erst als mir 2003 im Reisebüro betriebsbedingt gekündigt wurde, habe ich mich beworben. Ich war dann bis zum Dienstgrad Oberfeldwebel beim Heer. Und bin jetzt Offizier bei der Marine im Marineflieger Stützpunkt in Nordholz bei Cuxhaven.

Ist Frausein bei der Bundeswehr immer noch ein Thema.

Nein. Eigentlich nicht. Aber ich arbeite auch ganz gern mit Männern zusammen. Die Kommunikation ist auf den Punkt. Aber die Reaktionen von außen, sind noch unterschiedlich. Viele Männer sind eingeschüchtert. Frauen dagegen reagieren positiv und sind neugierig. Wollen wissen, wie es ist.

Wie war es am Anfang für Sie in der Armee?

Es war schon schwer. Aber ich bin jetzt seit 14 Jahren bei der Bundeswehr und heute ist es für die Kameradinnen viel leichter. Ihre Akzeptanz ist größer. Ich musste mich früher immer erst einmal beweisen und durchsetzen.

Wäre die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Bundeswehr größer, wenn es die Wehrpflicht noch gebe?

Sicherlich. Weil es mehr Soldaten gebe und wir so im Alltag präsenter wären. Ich finde den Gedanken, aber auch gut, ob jetzt im Rahmen eines sozialen Jahres oder bei der Bundeswehr, für die Allgemeinheit etwas zu leisten. So wie ein allgemeines Deutschlandjahr, um sich auch bewusst zu machen, dass wir es gut haben in Deutschland.

Wir sollten auch den 3.Oktober richtig feiern, den Tag der Deutschen Einheit. Das hat nichts mit Nationalismus zu tun. Wir haben immer noch mehrheitlich eine Willkommenskultur für Flüchtlinge, es gibt ein hohes ehrenamtliches Engagement. Darauf können wir stolz sein, dass wir so sind, wie wir sind.

Sind Sie stolz darauf, dass eine Frau an der Spitze der Bundeswehr steht?

Ja, bin ich. Ich bin auch stolz darauf, dass wir eine Bundeskanzlerin haben.

Sie waren in Afghanistan im Einsatz. Wie war das für Sie?

Ich hatte wahnsinnige Angst davor. Aber das schlimmste war für mich die Angst meiner Angehörigen abzumildern. Ich durfte dafür meine Gefühle und Sorgen nicht zeigen. Und musste den Einsatz runterspielen.

Meine Eltern waren panisch, haben jede Nachricht gelesen, um vorbereitet zu sein, für den Fall, dass mein Chef irgendwann bei ihnen vor der Tür steht und ihnen mitteilt, dass ihre Tochter gefallen ist. Das sollten sich alle bewusst machen, dass wir Soldaten unseren Job mit dem Leben bezahlen können.