Blutverschmierte Flure, erschossene Menschen: Fotos vom Tatort des siebenfachen Mordes in Sittensen haben die grausigen Details des Verbrechens aufgezeigt. Auch für die beteiligten Polizisten kein normaler Mordfall.

Stade. Blutverschmierte Flure, erschossene Menschen: Fotos vom Tatort des siebenfachen Mordes in Sittensen haben die grausigen Details des Verbrechens aufgezeigt. Im neuen Prozess um das Blutbad vor knapp einem Jahr schilderten Polizisten heute vor dem Landgericht Stade zudem ihre Eindrücke aus der Tatnacht. Ein Beamter erzählte emotional, wie er die einzige Überlebende des Massakers, ein kleines Mädchen, eingewickelt in ein Tischtuch zwischen zwei Leichen fand.

"Ich habe sie sehr ruhig in Erinnerung, ich denke, sie stand unter Schock", sagte er. Die fünf angeklagten Vietnamesen folgten seinen Erzählungen äußerlich gelassen. Indes bekräftigen die Verteidiger wie bereits im ersten Verfahren ihren Verdacht, dass die Beamten für ihre Zeugenaussagen geschult wurden.

In dem zweiten Prozess um das Gewaltverbrechen müssen sich fünf Vietnamesen verantworten. Drei von ihnen sollen in der Nacht zum 5. Februar 2007 das Inhaber-Ehepaar des Restaurants "Lin Yue" sowie fünf Angestellte erschossen haben. Die beiden anderen müssen sich wegen schweren Raubes oder Anstiftung zum Raub verantworten.

Der Prozess muss völlig neu aufgerollt werden, nachdem der erste durch die schwere Erkrankung einer Richterin im Dezember geplatzt war. Zeugen und Gutachter müssen erneut gehört werden, auch der Beamte hatte bereits im ersten Prozess ausgesagt.

Er habe das Lokal in dem niedersächsischen Ort rund eine halbe Stunde nach Mitternacht zusammen mit zwei anderen Kollegen betreten, sagte der Polizist vor dem Schwurgericht. Bereits im Treppenhaus hätten sie die ersten Leichen entdeckt. Hinter dem Tresen hätten dann zwei weitere Leichen gelegen, dazwischen das kleine Mädchen. Das Kind habe blutverschmierte Kleider getragen und sich bewegt. Allerdings habe er sich nicht sofort um die Kleine kümmern können.

"Ich war gelähmt, ich konnte das nicht", schilderte er die schockierenden Eindrücke vom Tatort. Erst nachdem die Sanitäter das Mädchen untersucht hätten, habe er sich um sie kümmern können. Nach der Tatnacht sei er bei einem Polizei-Seelsorger gewesen und habe unter Schlafstörungen gelitten. "Ich habe so etwas nie erlebt", sagte der erfahrene Polizist.

Die zehn Anwälte gehen indes davon aus, dass Zeugen der Polizei für ihre Aussagen extra geschult wurden. Nach den Anklageerhebungen habe es ein Seminar mit dem allgemeinen Titel "Der Polizeibeamte vor Gericht" gegeben. Der Kurs fand nach Angaben des Zeugen im selben Gebäude statt, in dem auch die Akten für den Sittensen-Fall lagern. Er räumte ein, dort Papiere eingesehen zu haben. Er gehe nach seiner Erinnerung davon aus, dass der Prozess nicht Gegenstand des Seminars war. Die Leitung dieser Fortbildung hatte eine Oberstaatsanwältin, die Dienstvorgesetzte der Ankläger im Sittensen-Verfahren. "Der Zeuge hat erkennbar gemauert. Wir kamen ihm schrittchenweise immer näher", resümierte ein Anwalt die Aussagen des Polizisten zu dem Seminar.

Über die am ersten Verhandlungstag am Mittwoch beanstandete Zusammensetzung der Kammer hat das Gericht bislang noch nicht entschieden. Widersprüche in den verschiedenen Anklagen, wie Verteidiger dies bemängelten, sahen die Richter indes nicht. Die Anklagen würden vom Prinzip der Mittäterschaft ausgehen, auch wenn davon auszugehen sei, dass nur einer die Todesschüsse abgefeuert hat.

Der nächste Verhandlungstag ist für den 15. Januar geplant.