Jahrzehntelang hielt Josef Fritzl seine Tochter und seine Kinder in einem Verlies gefangen. Er selbst wird vermutlich nie wieder frei kommen.

Jahrzehntelang hielt er seine Kinder in einem dunklen Keller-Verlies gefangen, nun kommt der geständige Inzest-Vater Josef Fritzl vermutlich selbst nie wieder frei. Gegen den 73-Jährigen wird nach Auskunft der Staatsanwaltschaft St. Pölten auch wegen Mordes durch Unterlassen ermittelt. Zudem werden ihm Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und Freiheitsberaubung vorgeworfen. Möglicherweise verbringt Fritzl den Rest seines Lebens hinter Gittern.

Er hatte seine heute 42 Jahre alte Tochter Elisabeth im Laufe von 31 Jahren immer wieder vergewaltigt, sie 24 Jahre lang in einem dunklen Keller-Verlies in seinem Haus in der österreichischen Kleinstadt Amstetten gefangen gehalten und mit ihr sieben Kinder gezeugt. Eins davon starb kurz nach der Geburt. Die DNA-Probe ergab laut Polizei, dass alle Kinder aus der Inzest-Beziehung von Fritzl stammen. Er sitzt in Untersuchungshaft im Gefängnis von St. Pölten.

Die Opfer des Martyriums, Elisabeth und fünf ihrer Kinder im Alter von 5 bis 18 Jahren, werden in einem "geschützten Bereich" einer Klinik betreut. Für die Ärzte und Therapeuten "hat der Schutz der Patienten oberste Priorität". Berthold Kepplinger vom Landesklinikum Mostviertel Amstetten-Mauer sagte auf einer Pressekonferenz am Dienstag, vor allem Elisabeth und die drei Kinder, die mit ihr im Verlies gefangen gehalten wurden, müssten vor zusätzlichen Traumatisierungen geschützt werden. Der 19-jährigen Kerstin, die auf der Intensivstation des Krankenhauses von Amstetten liegt, gehe es etwas besser. Sie liege aber weiter im künstlichen Tiefschlaf und werde beatmet, sagte ein behandelnder Arzt.

Die Kinder Kerstin (19), Stefan (18), Lisa (15), Monika (14), Alexander (12) und Felix (5) werden möglicherweise eine neue Identität erhalten. Damit solle ihnen eine geordnete Zukunft ohne ständige Verfolgung durch die Medien ermöglicht werden, sagte der Bezirksvorsteher der niederösterreichischen Kleinstadt Amstetten, Hans-Heinz Lenze. Dabei sei das oberste Prinzip ein Einvernehmen mit der Familie. Man müsse sich "mit dem Gedanken vertraut machen, dass wir hier eine Namensänderung herbeiführen". Ob dies auch für Elisabeth Fritzl gilt, sagte Lenze nicht.

Lenze wies Vorwürfe zurück, die Behörden hätten von der Existenz des Keller-Verlieses schon vor Jahren erfahren müssen. Sowohl beim Verschwinden von Elisabeth vor 24 Jahren als auch beim Auftauchen von den drei Kindern, die anschließend in der Wohnung von Josef Fritzl aufwuchsen, seien alle verfügbaren Informationen eingeholt worden. Es habe keinen Verdacht gegeben und auch keine Möglichkeit, den Keller zu durchsuchen. Im Strafregister der Eheleute habe es keine Einträge gegeben. Medien hatten zuvor berichtet, gegen den Mann sei in den 1970er Jahren bereits wegen einer Vergewaltigung ermittelt worden. Ein solcher Fall wäre wegen der langen Zwischenzeit allerdings längst aus den Akten getilgt worden und für die Behörden somit nicht mehr festzustellen gewesen.

Nach Auskunft der Polizei gibt es keine Hinweise, dass die Ehefrau Fritzls an der Straftat beteiligt gewesen sein könnte. Auch sei weder den Geschwistern noch den Nachbarn etwas aufgefallen, sagte Franz Polzer, Leiter des Landeskriminalamts Niederösterreich. Fritzl und seine Ehefrau haben insgesamt sieben gemeinsame Kinder.

Die Frauenzeitschrift "Brigitte" berichtete unterdessen, dass zwei frühere Mieter im Fritzl-Haus beobachtet haben, dass der nebenan wohnende Bruder von Elisabeth als "Hausmeister" einen Kellerschlüssel gehabt haben soll. Außerdem sei auffällig gewesen, dass Josef Fritzl immer allein große Mengen an Lebensmitteln eingekauft habe.

Die Opfer von Josef Fritzl müssen nach Überzeugung des Psychologen Klaus Neumann seelische Schäden erlitten haben, die sonst nur bei Kindern in Kriegsgebieten bekannt sind. "Angst, Entbehrung und das fehlende Tageslicht in dem Keller-Verlies haben zwangsläufig tiefe Spuren hinterlassen", sagte der Kindeswohlbeauftragte des Psychologenverbands in München der Deutschen Presse-Agentur dpa. Man dürfe aber auch die seelische Belastung der drei Kinder Lisa, Monika und Alexander nicht unterschätzen, die nach ihrer Geburt in dem Verlies relativ normal in der Wohnung von Josef Fritzl aufwuchsen.

"Sie müssen aus ihrer Welt, in der es hell war und sie in die Schule gehen konnten, wieder zurücksteigen in das Verlies, aus dem auch sie gekommen sind", sagte Neumann. Ihnen werde nun auf einmal klar, dass sie ihr Leben der Vergewaltigung ihrer Mutter durch deren eigenen Vater verdanken. Bis Elisabeth Fritzl und ihre Kinder ein normales Leben führen könnten, werde es viele Jahre dauern. Andreas Zembaty vom Bewährungshilfe-Verein "Neustart" sagte einer österreichischen Nachrichtenagentur, er glaube nicht, dass es für den "Extremfall" ein einziges Patentrezept im Umgang mit den Betroffenen gibt. Der Fall sei dem von Natascha Kampusch ähnlich: "Beide sind in ihrer Brutalität und Kompliziertheit einzigartig."

Josef Fritzl selbst geht es nach Angaben der Gefängnisleitung gut. Heute wurde er von einem Psychologen und einem Psychiater untersucht. Beide hätten festgestellt, dass keine Selbstmordgefahr bestehe, sagte Gefängnisleiter Günther Mörwald. Der 73-Jährige wird von anderen Straftätern abgeschirmt, da sich Sexualstraftäter in Gefängnissen meist "am untersten Ende der Hierarchie befinden" und mit Übergriffen von anderen Insassen rechnen müssen. Der Anwalt Fritzls sagte dagegen nach einem kurzen Gespräch, sein Mandant erscheine "emotional gebrochen".