Ein Soldat erklärt erstmals gegenüber der „Bild“-Zeitung: „Es war kein Friedhof, sondern eine Lehmgrube.“ Wer nicht mitmachen wollte galt als „Weichei“. Zweifel an der Soldatenausbildung werden immer stärker. Zwei Soldaten sind bereits suspendiert worden.

Berlin/Kabul. Die Affäre um die Totenschändung durch Bundeswehrsoldaten in Afghanistan zieht weitere Kreise. Neue Fotos und Details wurden bekannt.

Einem mutmaßlichen Zeugen zufolge waren die Schändungen zumindest niederen Dienstgraden in der Truppe bekannt. Der "Bild"-Zeitung vom Freitag sagte der Mann weiter, die 2003 von den Soldaten benutzten Schädel stammten nicht von einem Friedhof, sondern aus einer Lehmgrube. Der Sender RTL veröffentlichte zudem am Donnerstagabend neue Fotos, die ebenfalls Soldaten mit Totenschädeln zeigen und die angeblich 2004 aufgenommen wurden. Der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Reinhold Robbe, verurteilte die Vorfälle. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Ulrike Merten, forderte eine Überprüfung der Soldatenausbildung.

Robbe sagte im ZDF, man könne für das Verhalten der Soldaten kein Verständnis aufbringen. Die bislang öffentlich gewordene Zeugenaussage spreche im Prinzip für sich: "Es ist ein Stück weit Gruppendynamik, es ist ein Stück weit falsch verstandene Kameradschaft." Deutlich sei aber auch, dass sich die Soldaten damals der Tragweite, insbesondere der außenpolitischen Dimension, nicht bewusst gewesen seien. "Wenn die solche Sprüche von sich geben, wenn die solche Erklärungen von sich geben, ist das nicht entschuldbar", sagte der SPD-Politiker. Der Vorfall werfe eine Menge Fragen auf, beispielsweise die nach der Ausbildung der Soldaten.

Robbes Parteikollegin Merten sagte im Deutschlandfunk, es scheine leider so zu sein, dass es sich bei den ersten veröffentlichten Fotos nicht um einen Einzelfall handele. Die Ausbildung der Soldaten müsse jetzt überprüft werden. Es sei besonders wichtig, die Truppe so gut wie möglich in die Lage zu versetzen, mit Stresssituationen umzugehen. Merten schloss nicht aus, dass durch die Vorfälle eine höhere Gefährdung der Bundeswehrsoldaten in Afghanistan bestehe. Man dürfe dies aber auch nicht herbeireden.

Die von RTL gezeigten neuen Fotos zeigen einen Bundeswehrsoldaten, der mit einem Schädel auf seiner Schulter posiert. Auf einem anderen Foto hält ein Bundeswehrsoldat einen Schädel in der Art einer Kühlerfigur auf eine Motorhaube. Der Sender berichtete, die Bilder seien vom März 2004 datiert. Zu sehen seien Panzergrenadiere. Auf den gezeigten Bildern waren die Gesichter der Soldaten unkenntlich gemacht worden.

Der in der "Bild"-Zeitung zitierte Zeuge, der anonym bleiben wollte, sagte, das Geschehen habe "die Runde gemacht". "Die fanden das teilweise lustig", fügte er hinzu. Der 2003 von den Soldaten geschändete Schädel stamme nicht von einem Friedhof. Vielmehr müsse man sich das Gelände vorstellen wie ein große Kiesgrube. Dort hätten Einheimische Lehm für Ziegel abgegraben. "Es war kein Friedhof, keine Kultstätte", sagte der Zeuge. Vermutlich seien dort während Kriegszeiten "Unmengen an Leichen abgelagert" worden. Zwar habe es keinen Gruppenzwang zum Schänden der Gebeine gegeben. Wer aber nicht mitgemacht habe, habe als "Weichei" gegolten, sagte der Zeuge.

Die am Mittwoch von der "Bild"-Zeitung veröffentlichten Bilder von Bundeswehr-Soldaten, die in Afghanistan in teils obszönen Gesten mit einem Totenschädel posieren, haben quer durch die Parteien Empörung ausgelöst. Verteidigungsminister Franz Josef Jung kündigte Konsequenzen für die betroffenen Soldaten an. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt.

Das Verteidigungsministerium hat bereits erste Konsequenzen gezogen. Zwei der beteiligten Soldaten seien vom Dienst suspendiert worden, erklärte Verteidigungsminister Franz Josef Jung am Freitag in Berlin. "Sie werden der Bundeswehr nicht mehr angehören", sagte der CDU-Politiker.

Unterdessen hat sich die Lage im Süden Afghanistans verschlechtert. Bei der Explosion eines am Straßenrand versteckten Sprengsatzes sind im Süden Afghanistans am Freitag mindestens 14 Menschen getötet worden. Drei weitere wurden verletzt, wie ein Sprecher des örtlichen Gouverneurs mitteilte. Die Explosion ereignete sich demnach auf einer Straße nördlich von Tirin Kot, der Hauptstadt der Provinz Urusgan. Unklar war, ob es sich bei dem Sprengsatz um einen erst kürzlich deponierte Bombe oder eine ältere Mine handelte.