Oder: Selig sind die Seelen im See. Die richtige Schreibweise erschließt sich häufig erst aus der Vergangenheit.

Jedes Wort hat seine Geschichte, und jedes Wort hat seine Aussprache – das heißt, wenn wir nicht gerade einem Sachsen, Bayern oder Schwaben aufs Maul schauen. Ein reines Hochdeutsch wurde vor dem Krieg angeblich im Raum Hannover gesprochen, weil das Hochdeutsche dem Niederdeutschen, in Hannover dem Ostfälischen, wie eine Fremdsprache übergestülpt worden ist, die man Vokabel für Vokabel lernen musste. Und jedes Wort hat seine „Verschriftung“.

Aus der historischen (etymologischen), phonetischen (gesprochenen) und systematischen (grammatischen oder analogen) Herkunft erschließt sich seine Rechtschreibung, die Antwort auf die Frage: Was schreibt man wie?

Lassen wir an dieser Stelle nach Reform der Reform einmal beiseite, dass es heute häufig zwei amtlich richtige (fakultative) Antworten auf eine solche Frage gibt. Es geht darum, wenigstens eine richtige Form herauszufinden. Dazu kann selbst bei Erwachsenen der Griff zum Wörterbuch nicht immer vermieden werden.

Wenn ich jetzt den Duden erwähne, höre ich im Geiste das Naserümpfen einiger Bildungsbürger, die den Duden nicht benutzen, aber genau wissen, was sie von den Leuten zu halten haben, die das tun. Nur: Auch im Wahrig steht’s nicht anders.

Hanebüchen hat nichts mit dem Hahn zu tun

Nehmen wir die Pleite, den umgangssprachlichen Ausdruck für die Zahlungsunfähigkeit, den Bankrott. Als Substantiv schreibt man das Wort groß, als Adjektiv klein. Also: Er macht Pleite (was?). Aber: Er ist pleite (wie?), zumal das Hilfsverb sein und alle seine Formen als Prädikat immer zur Kleinschreibung führen. Ebenso: Er „geht Pleite“ – könnte man meinen. Doch jetzt wird es kompliziert: pleitegehen schreibt man zusammen, da die Wörterbücher hier „pleite“ als Verbzusatz sehen.

Das Präfix (Vorsilbe) und der Stamm bilden auch bei Distanzstellung eine inhaltliche Einheit mit kleinen Buchstaben: eislaufen/ sie läuft eis; achtgeben/ gib acht!; kopfstehen/ alles stand kopf; leidtun/ es tut mir leid – und eben: Er geht pleite, jedoch: Er macht Pleite. Ebenso: Es ist ernst, aber: Er macht Ernst. Der Ausdruck „Pleite“ ist Gaunersprache aus jiddisch plejte (Flucht vor den Gläubigern), doch selbst bei deutschen Erb- und Lehnwörtern müssen wir häufig nach der Herkunft forschen, um die korrekte Schreibweise festzustellen – oder nachschlagen.

Der Verfasser ist „Wortschatz“-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprachkolumne erscheint dienstags
Der Verfasser ist „Wortschatz“-Autor und früherer Chef vom Dienst des Abendblatts. Seine Sprachkolumne erscheint dienstags © HA | Klaus Bodig

Das Adjektiv hanebüchen (grob, derb, klotzig; skandalös) hat nichts mit dem Hahn auf dem Hühnerhof zu tun und schreibt sich ohne „h“. Es kommt vom mhd. hagenbüechin (aus dem knorrigen Holz der Hainbuche bestehend). Dagegen hat der Hahnrei mit „h“, der Ehemann, den seine Frau mit einem anderen Mann betrogen hat, durchaus etwas mit dem Hahn gemeinsam, und zwar mit einem kastrierten Exemplar, dem man, um es aus der Hühnerschar herauszufinden, die abgeschnittenen Sporen in den Kamm setzte, wo sie sich zu einer Art von Hörnern auswuchsen.

Dem armen Tier wurden also Hörner aufgesetzt wie im übertragenen Sinne auch dem gehörnten Ehemann. Das Eigenschaftswort selig hat historisch nichts mit der Seele zu schaffen, weshalb wir bei ihm mit einem einfachen „e“ auskommen. Es geht auf das ahd. s āl īg (gut, glücklich, gesegnet, heilig) zurück. Die Seele hingegen, man mag’s kaum glauben, bezieht sich auf den See. Nach germanischem Volksglauben wohnten die Seelen der Ungeborenen und der Toten nämlich im Wasser.

Woher der Begriff Stegreif kommt

Wenn wir etwas aus dem Stegreif (unvorbereitet) machen, sollten wir das „h“ weglassen. Wir greifen nicht „im Stehen“ nach einer Gelegenheit, sondern im Gegenteil: Wir bleiben sitzen, und zwar im Sattel. Der Begriff kommt vom ahd. stegareif für Steigbügel. Die Verben kreischen und kreißen stammen beide vom mhd. kr īschen für „schreien, stöhnen“ ab, nur dass kreischen (schrillen Lärm machen) und kreißen (in den Geburtswehen liegen) heute eine unterschiedliche Bedeutung erlangt haben.

Analog zu miteinander wird auch das Adverb ohneeinander zusammengeschrieben: Sie konnten ohneeinander nicht mehr leben. Handelt es sich aber um die Konjunktion ohne mit dem Pronomen einander, müssen wir zwei Wörter benutzen: Sie verabschiedeten sich, ohne einander die Hand zu geben.