Hamburg . Risiko, dass gefährliche Strafgefangene entkommen können, sei in Kauf genommen worden. Kritik an Gesetzeslage.

Der gefährliche Strafgefangene aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Lübeck, der am Dienstagmittag während eines Ausgangs im Hamburger Stadtteil Horn entkommen konnte, ist nach wie vor verschwunden. Gegen 11.45 Uhr sei er während einer Ausführung zu seiner Familie in Hamburg entwichen, teilte Silke Nagel, Anstaltsleiterin der JVA Lübeck, am Dienstag mit. Er verbüßt eine Freiheitsstrafe von neun Jahren wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.

Wie dem 65-Jährigen die Flucht aus der Wohnung am Ilexweg gelingen konnte, ist noch unklar. Den Vollzugsbeamten und den externen Mitarbeiter der JVA Lübeck, die den Strafgefangenen nach Hamburg begleiteten, trifft nach Ansicht der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Schleswig-Holstein jedoch keine Schuld.

Gesetzgeber habe Fluchtversuche in Kauf genommen

„Im vorliegenden Fall wurde seitens der Vollzugsanstalt von einer geringen Gefährdung ausgegangen, weshalb auf eine Fesselung verzichtet wurde und die Begleitung durch einen Vollzugsbeamten sowie einen externen Mitarbeiter der JVA Lübeck erfolgte“, sagte der Vorsitzende der GdP-Regionalgruppe Justizvollzug, Thorsten Schwarzstock, in Kiel. „Den Begleitbediensteten ist dahingehend also kein Vorwurf zu machen.“ Vielmehr habe der Gesetzgeber durch die Regelung von verpflichtenden Ausführungen für langstrafige Gefangene bewusst das Risiko in Kauf genommen, dass es vermehrt zu Entweichungen kommen könne, sagt Schwarzstock.

Zum Hintergrund: Das Landesstrafvollzugsgesetz sieht vor, dass sogenannte Ausführungen bei Gefangenen mit langen Haftstrafen neben der Vorbereitung zur Wiedereingliederung auch zum „Erhalt der Lebenstüchtigkeit“ eingesetzt werden. Diese Regelung beinhaltet, dass Gefangene, die sich fünf Jahre oder länger ununterbrochen im Freiheitsentzug befinden, wenigstens zwei Mal im Jahr ausgeführt werden. Ziel ist es, dass sie den Bezug zum Leben außerhalb der Anstaltsmauern nicht verlieren. Die Festlegung der Sicherungsmaßnahmen bei Ausführungen orientiert sich am Gefährdungspotential des Gefangenen.

Laut "Lübecker Nachrichten" durfte der 65-Jährige die JVA bereits fünf Mal unter Aufsicht verlassen, ohne dass es zu Problemen gekommen war.