Hamburg. Abendblatt-Serie zum Thema “Meine gute Nachricht des Jahres 2016“ in Kooperation mit mehreren norddeutschen Medien.

Eine ganz normale Gastspielreise sollte es werden. Sechs Tage Amsterdam mit der Crew vom Thalia Theater. Drei Vorstellungen des Stückes „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ von Peter Handke standen auf dem Programm. Für Uwe Behrmann aus Stellingen eigentlich kein Grund, aufgeregt zu sein. Schließlich soll er in dem Stück ja nicht auf der Bühne stehen, sondern im Parkett, als Bass-Sänger zusammen mit einem Männerchor. Eigentlich.

Komparse im TV

Uwe Behrmann hat sich schon immer für Theater und Film interessiert. Und so war es ein fester Vorsatz, dass er sich nach seiner aktiven Berufszeit als Verlagskaufmann eben diesem Hobby widmen wollte. „Von 1995 bis 2014 habe ich mich praktisch bei allen Hamburger Agenturen beworben und als Komparse bei diversen Fernsehsendungen mitgewirkt“, erzählt er. Aber der Höhepunkt war für ihn immer das Theater. Und irgendwann schaffte er es als Statist an das Schauspielhaus und an das Thalia Theater. Und in den Männerchor. An die großen Bühnen, aber immer im Hintergrund. Bis zur Amsterdam-Reise.

Die wichtigste Rolle übernehmen

Als das Telefon am 1. Juni, einen Tag vor der Abreise, klingelte, war der 78-Jährige gerade dabei, die Reisetasche zu packen. Am anderen Ende der Leitung war Karin Becker, die künstlerische Betriebsdirektorin am Thalia Theater. Und sie klang aufgeregt. „Sie teilte mir mit, dass einer der wichtigsten Schauspieler erkrankt sei, und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, seine Rolle zu übernehmen. Eine andere Möglichkeit würde es nicht geben“, erzählt Behrmann. Es ist eine anspruchsvolle Rolle, das wusste Behrmann – er hatte das Stück ja oft vom Chorgraben aus verfolgt.

Die Marke zur Abendblatt-Aktion
Die Marke zur Abendblatt-Aktion "Meine gute Nachricht des Jahres 2016" © HA

Zwar wird in Handkes Stück nicht gesprochen, doch veränderten sich die Szenen wahnsinnig schnell, und in jeder neuen Szene würden die Schauspieler andere Kostüme tragen und andere Rollen schlüpfen, so Behrmann. Aber für Bedenken war keine Zeit, und so sagte er kurzerhand zu. Und zu der Aufregung mischte sich dann auch Stolz: „Ich bin nicht nur Statist und Chorsänger, sondern auch einer der wichtigen Akteure auf der Theaterbühne“, dachte Behrmann. Nur aus einer ruhigen Zugfahrt würde wohl nichts werden.

Wenigstens gab es eine Probe

„Auf der Hinfahrt drückte mir die Regieassistentin ein spezielles Skript mit meinen Auf- und Abgängen in die Hand, samt Beschreibung der Figuren, Kostüme und Perücken“, sagt Behrmann. Er sollte unter anderem einen alten Mann, einen Gigolo, einen Weihnachtsgeschenke-Einkäufer, einen Hochzeitsgast, einen Geschäftsmann und den biblischen Abraham spielen. Ganz schön viel, dachte er. Doch zum Glück würde es in Amsterdam wenigstens noch eine Probe geben. Immerhin.

Doch als er gerade dabei war, etwas ruhiger zu werden, machte plötzlich ein Gerücht die Runde. Einige Kollegen erzählten, dass das holländische Königspaar auch bei der Aufführung dabei sein würde. „Unser Theaterstück war Teil des Holland-Festivals, das Königin Máxima und König Willem-Alexander eröffnen sollten“, so Behrmann. „Ich konnte mein Glück kaum fassen. Da habe ich einmal die Chance und kann eine große Rolle spielen – und dann schaut auch noch das Königspaar zu.“

Und so ging Behrmann voller Elan in die Generalprobe. Und bis auf kleine Unsicherheiten lief diese überraschend gut. „Als im Hotel unter der Dusche auch die letzten Zweifel an mir abglitten, merkte ich, dass ich mich richtig auf die Premiere freute.“

Hollands Königspaar guckte zu

Und dann ging es los. Der Statist betrat die große Bühne. Und er spielte, als hätte er wochenlang für diese Rolle geprobt. Ein richtiger Hauptdarsteller.

Und dann, ganz am Ende, als das Licht am Saal anging, sah Behrmann sie ganz deutlich: „Máxima und Willem-Alexander gaben wie alle anderen im Publikum auch Standing-Ovations. Was für ein Moment.“

Völlig überwältigt und beflügelt ging Behrmann nach diesem Abend auf die Premierenfeier. Und siehe da: Wieder war das Königspaar dabei. Dieses Mal aber in direkter Nähe. „Der Zufall wollte es, dass die beiden mit genau gegenüber standen, und spätestens als mir Máxima dann noch ein Lächeln schenkte, war mein Glück perfekt.“

Rund ein halbes Jahr ist seit diesem Abend vergangen. Und noch immer sieht sich Behrmann gerne die Fotos von der Premiere und der Party danach an. „Dass man mir das damals überhaupt zugetraut hat, fühlte sich an wie die Belohnung für meinen jahrelangen Einsatz“, sagt Behrmann. Aktuell spielt er bei „Eines langen Tages Reise in die Nacht“, „Moby Dick“ und „Peer Gynt“ mit, wieder als Statist. Wie viel Zeit dafür pro Monat für Proben und Aufführungen draufgeht, ist unterschiedlich. „In den zwei Wochen vor der Premiere kann das sehr intensiv sein, in anderen Phasen ist es ruhiger“, sagt Behrmann.

Seine Frau unterstützt ihn

Dass er in seiner Zeit als Rentner tatsächlich das machen kann, was er sich immer gewünscht hat, dafür ist der gebürtige Dittmarscher dankbar. „Das ist ein großes Glück und hält mich fit“, sagt er. Aber er weiß auch, dass das alles nur geht, weil seine Frau Christine ihn unterstützt. „Sie hat großes Verständnis für mein Hobby und ärgert sich nicht über die Arbeitszeiten und vielen Proben, weil sie merkt dass es mir gut tut. Dafür möchte ich ihr sehr danken“, sagt Behrmann. In „Die Stunde da wir nichts voneinander wussten“ hat er seit Amsterdam noch häufig mitgespielt. Allerdings wieder in seiner angestammten Rolle als Chorsänger. „Das Stück macht mir jetzt noch viel mehr Spaß als früher“, sagt Behrmann. „Einfach, weil ich mit ihm den schönsten Tag des Jahres verbinde.“

Das steckt hinter der "Gute Nachricht"-Aktion