Südbrookmerland. Neue Abendblatt-Serie zum Thema “Meine gute Nachricht des Jahres 2016“ in Kooperation mit mehreren norddeutschen Medien.

Ein Autounfall ist auf den ersten Blick sicher keine gute Nachricht. Doch eine Optimistin wie Anna Rebmann versucht in allem, was geschieht, das Gute zu sehen. Sie sagt, eigentlich gelinge ihr das immer. „Wie das ausging, was meinem Baby, meinem Mann und mir Anfang des Jahres passierte, grenzt an ein Wunder“, sagt Rebmann. Wenn die 33 Jahre alte Lehrerin aus Ostfriesland an den Unfall zurückdenkt, kommen ihr noch heute die Tränen – vor Dankbarkeit.

Im Haus der Familie im kleinen Straßendorf Ost-Victorbur bei Aurich erwacht Tochter Katinka, jetzt 13 Monate alt, gerade aus dem Mittagsschlaf und lächelt die Mutter an. „Sie ist ein Sonnenschein“, sagt Anna Rebmann und strahlt. Dann erzählt sie von dem Tag, an dem sie und ihr Mann Benjamin so sehr um das Leben ihrer „Süßen“ fürchteten, dem Tag des Unfalls.

Der Wagen überschlug sich mehrfach

Es geschah am Sonntag, am späten Nachmittag des 17. Januar, auf der Autobahn 31 bei Dörpen. Die Familie war auf dem Rückweg von einem Familien­besuch im Münsterland, wo Benjamins jüngste Nichte getauft worden war. Noch eine gute Stunde Fahrt lag vor ihnen. Anna Rebmann saß am Steuer. Die damals gerade drei Monate alte Katinka schlief auf dem Rücksitz in ihrem Maxi-Cosi-Sitz, wie meistens bei Autofahrten. „Du kannst ruhig ein bisschen dösen“, sagte Anna Rebmann zu ihrem Mann, der hinten neben der gemeinsamen Tochter saß; die Gelegenheit nutzte er dann auch gern.

Die Marke zur Abendblatt-Aktion
Die Marke zur Abendblatt-Aktion "Meine gute Nachricht des Jahres 2016" © HA

Sie selbst, erzählt sie, sei kein bisschen müde gewesen; mit Tempo 120 rollte der drei Jahre alte Opel Meriva dahin. Es war noch recht hell, die Autobahn 31 ziemlich leer, glatt schien es auch nicht zu sein.

Anna Rebmann kann sich nicht erinnern, wie es passierte. Vielleicht war etwas von der Autobahnbrücke gefallen oder ein Tier auf die Straße gelaufen? Vielleicht war die Straße im Schatten der Brücke doch etwas vereist? Denn auf einmal kam der Opel von der Fahrbahn ab, prallte gegen den Betonfuß eines Schildes und überschlug sich drei-, viermal, bevor er auf den Rädern zum Stehen kam.

Es sah so aus, als sei das Baby blutüberströmt

„Der Moment vor dem Unfall ist wie ausgelöscht“, konnte die junge Frau allen nur sagen, die sie später gefragt haben. Geklärt wurde die Unfallursache bis heute nicht. „Musste sie auch nicht, da wir offenbar einen Schutzengel hatten“, sagt Rebmann.

In dem Moment allerdings war sie in heller Panik. An sich selbst, weiß sie noch genau, habe sie keinen Gedanken verschwendet. „Katinka!“, schrie sie, guckte sofort nach hinten. Im ersten Moment sah es so aus, als sei das Baby blutüberströmt. Doch es stellte sich heraus, dass nur feuchte Erde durch das Fenster auf das Kind herabgeregnet war. Ausgerechnet die Tür auf Katinkas Seite war von dem Zusammenprall mit dem Schild komplett demoliert.

Als Mutter Anna aus dem Auto gesprungen und nach hinten gerannt war, merkte sie, dass die Türverkleidung abgerissen war und die Tür sich nicht öffnen ließ. Metallteile standen in alle Richtungen ab, die Scheibe war geborsten. Das Baby schrie wie am Spieß. „Ich war bei allem Schrecken erleichtert, denn das hieß, dass sie auf jeden Fall lebte“, erzählt Anna Rebmann. Vater Benjamin nahm die Tochter mit ihrem Kindersitz aus dem Wagen. Und „sofort“, erinnern sich die beiden übereinstimmend, war da ein junger Mann, vielleicht Mitte 20, der die Unfallstelle absicherte und ihnen half

Der Krankenwagen brauchte eine gefühlte Ewigkeit

„Ich selbst stand total unter Schock und wäre gar nicht fähig gewesen, so vernünftig zu reagieren“, sagt Anna. Sie saß mit dem Baby neben dem Seitenstreifen im Schnee, der von der aufgespritzten Erde bräunlich-rot verfärbt war. Ihre Hände bluteten von Glassplittern, sie zitterte.

Gleich danach hielten noch mehr Menschen, um der Familie zu helfen: ein Mann mit seiner Frau, eine Kinderkrankenschwester, die dem Säugling gleich eine Wärmedecke umlegte. Wie die beiden aussahen, dafür hatten die Rebmanns in dem Moment keinen Blick.

Eine gefühlte Ewigkeit später, aber in Wirklichkeit wohl ziemlich schnell, kam der Krankenwagen. Die Familie wurde in die Klinik nach Meppen gebracht. „Sehr geholfen hat mir eine Krankenhausseelsorgerin, die sich am Abend gleich eine ganze Stunde Zeit für mich nahm, weil mich als Fahrerin Schuldgefühle plagten.“

Jeder 17. Januar ist wie ein zweiter Geburtstag

Die unglaublich gute Nachricht für die Familie: Keinem war etwas passiert. „Wie durch ein Wunder“, sagt Rebmann, war niemand verletzt worden, sieht man von ein paar Schrammen an den Händen ab. „Unserer Tochter geht es nach wie vor gut, sie ist ein richtiger Wildfang und hält uns ganz schön auf Trab.“ Schon als Anna Rebmanns umgehend alarmierte Eltern damals eine Stunde nach dem Unfall in der Klinik ankamen, konnte Katinka wieder mit ihrem Opa scherzen. Nicht einmal Schlafprobleme hat sie seitdem bekommen, auch Autofahrten machen ihr nichts aus. „Ich kann es bis heute kaum fassen“, sagt Anna. „Wir werden den 17. Januar wohl immer als unseren zweiten Geburtstag feiern.“

Wermutstropfen: Sie konnten den Helfern nicht danken

Benjamin und Anna haben im Juli geheiratet. Ihnen war bewusst geworden, dass man ohne Trauschein nach einem Unfall im Krankenhaus Schwierigkeiten mit gegenseitigen Auskünften bekommen würde – doch das war natürlich nicht der Hauptgrund. Vom Geld der Versicherung und einem großzügigen Zuschuss der Großmutter haben sie einen gebrauchten Astra gekauft, der Meriva hatte Totalschaden. Anna Rebmann musste das demolierte Straßenschild und eine kleine Ordnungsstrafe bezahlen, doch das fand sie nicht schlimm. „Der einzige Wermutstropfen an der Geschichte ist, dass wir uns bei den drei Helfern, die uns so bereitwillig zur Seite standen, als wir diesen Beistand so dringend brauchten, gar nicht richtig bedanken konnten“, sagt sie. „Aber vielleicht erreicht unsere Dankbarkeit sie ja auf diesem Wege.“

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