Hamburg. Neue Abendblatt-Serie zum Thema “Meine gute Nachricht des Jahres 2016“ in Kooperation mit mehreren norddeutschen Medien.

Ein strahlender Tag nach einer Woche Regen. Eine Feier mit 130 beglückten Freunden, Kollegen und Verwandten. Und Jean-Charles, der zwar 25 Jahre lang aus ihrem Leben, aber nie aus ihrem Herzen verschwunden war. Und dem sie an diesem Tag ihr Jawort gab. „Meine Hochzeit im April war der allerschönste Moment dieses Jahres“, sagt Carola Lilienthal. Und eine gute Nachricht für alle, die noch an die große Liebe glauben. Oder für die, die schon nicht mehr dran glaubten.

Die beiden sitzen in der Küche von Carola Lilienthals Wohnung in Winterhude, um ihre Geschichte zu erzählen. Es ist ein fröhliches Durcheinander von Deutsch, Englisch und Französisch – dazwischen Gelächter, verliebte Blicke und Zärtlichkeiten. Sie sehen sich nur an den Wochenenden. In der langen Zeit ohne einander haben sie (beide 49) in ihren Heimatstädten Unternehmen aufgebaut, in denen sie gebraucht werden: Jean-Charles Voisine, dessen Eltern mit Wein gehandelt haben, ist Großhändler für Delikatessen; Carola Lilienthal, eine promovierte Informatikerin, entwickelt Business-Software.

Er schrieb ihr nach 25 Jahren eine E-Mail

Die beiden denken zurück an den 26. Juni 2011. Zurück an die E-Mail, die Carola Lilienthal an diesem Tag von Jean-Charles Voisine erhielt. Sie kam just an dem Nachmittag, an dem sie zum ersten Mal nach 25 Jahren seinen Namen erwähnt hatte. „Ich war bei einer Freundin, die Besuch aus England hatte. Man war überrascht über mein gutes Englisch. Da habe ich erzählt, dass ich auch Französisch spreche, weil meine Jugendliebe Franzose war“, erinnert sich Carola Lilienthal.

Die Marke zur Abendblatt-Aktion
Die Marke zur Abendblatt-Aktion "Meine gute Nachricht des Jahres 2016" © HA

Sie hatte Jean-Charles als 18-Jährige in einer Sprachschule in Kalifornien kennengelernt. Für beide war es die erste große Liebe, doch sie musste nach drei Wochen wieder zurück. Sie schrieben sich zwei-, dreimal die Woche und trafen sich zum Jahreswechsel 1986/87 in Paris. Im Frühjahr darauf besuchte Carola Jean-Charles zehn Tage in der Dordogne, wo er damals lebte. Beim zweiten Besuch im Sommer machte er mit ihr Schluss. Das traf sie so sehr, dass sie sich bis heute an vieles aus der Zeit mit ihm nicht mehr erinnert.

Er beendete die Beziehung damals

Jean-Charles Voisine weiß alles noch ganz genau – und redet für einen Mann erstaunlich offen. Schon als er sie das erste Mal in der Sprachschule sah, sei ihm der Gedanke durch den Kopf geschossen: „Ist sie die Frau, die in meinem Leben eine Rolle spielen wird?“ Er sei sehr verliebt gewesen. Doch er habe die Beziehung beendet, weil der Einstieg ins Familienunternehmen bevorstand. „Ich dachte, ich brauche meine Freiheit und könne weder Zeit noch Energie für eine Fernbeziehung aufbringen.“ In den Jahren danach hatte er immer nur kurze Beziehungen. Doch niemals fand er jemanden wie Carola, seine Juliette Binoche.

Dann kam dieser Tag im Mai 2011. „Ich war im Medoc auf Kundenakquise. In einem kleinen Restaurant saß eine Familie, deren Anblick mich sehr berührt hat. Die Frau sah Carola ähnlich, der Mann mir. Sie hatten ein Kind dabei und ich dachte: Das könnten wir sein, wenn ich die Beziehung damals nicht beendet hätte.“ Als er das Paar dann noch Deutsch sprechen hörte, war ihm klar: Er musste seine Jugendliebe wiederfinden.

Es gibt erstaunliche Parallelen in ihren Leben

Zu Hause las er die Briefe, die sie ihm vor einem Vierteljahrhundert geschrieben hatte. Dann suchte er nach ihr im Internet. Da sie Informatik-Vorlesungen an der Uni hält und diese für ihre Studenten ins Netz gestellt werden, fand er sie schnell. „Das Erste, wonach ich Ausschau hielt, war ein Ehering.“ Er sah keinen und beschloss, ihr eine Mail zu schreiben.

Auch Carola Lilienthal hatte in den 25 Jahren nie eine längere Beziehung geführt. „Auch bei mir kam niemand an meine verflossene Jugendliebe heran“, sagt sie. Obwohl sie nie verheiratet war, hat sie einen Sohn: Frederic. „Sie hat schon damals zu mir gesagt: Wenn wir je einen Sohn haben werden, soll er Frederic heißen“, sagt Jean-Charles Voi­sine. Frederic ist so alt wie Antoine, der Sohn von Jean-Charles Voisines Schwester. Seit der frühen Trennung seiner Eltern ist sein Onkel für ihn ein Ersatzvater, sie wohnen sogar zusammen. „Wir haben also gleichalte Jungen“, sagt Carola Lilienthal. „Das ist noch eine der erstaunlichen Parallelen in unseren Leben.“

An Christi Himmelfahrt wurde geheiratet

In den vergangenen fünf Jahren haben sich Carola Lilienthal und Jean-Charles Voisine so oft gesehen, wie es ging. Sie sind nach Wien, Barcelona und an die französische Atlantikküste gereist. Im Medoc, in dem kleinen Restaurant, in dem im Mai 2011 der zweite Teil ihrer Liebesgeschichte begann, hat er sie gefragt, ob sie seine Frau werden will. Und sie hat ja gesagt.

Die Hochzeit an Christi Himmelfahrt muss ein rauschendes Fest gewesen sein. Die Fotos auf Carola Lilienthals iPad zeigen ein strahlendes Paar und glückliche Gesichter auch bei den Gästen. Wie das Brautpaar war die ganze Feier binational: Sie fand im Kleinen Michel statt, der Kirche der französischen Gemeinde in Hamburg, mit einem Priester, der auf Deutsch und Französisch predigte. Anschließend ging es zur Feier ins Hotel Hafen Hamburg – in einer weißen, blumengeschmückten Ente, dem französischen Kultauto schlechthin. Die Hochzeitstorte war ein Piece Montée, eine Art Pyramide aus gefüllten Teigbällchen. Und weil für Franzosen das Tanzen zum Feiern dazugehört, wurden um 22 Uhr die Tische zur Seite geräumt und bis zum frühen Morgen ausgelassen getanzt.

Gemeinsam schmieden sie Zukunftspläne

Nach der Hochzeitsnacht reiste das frisch vermählte Paar nach Kuba. Drei Wochen Honeymoon. Plus eine Woche Hochzeitsvorbereitungen. Macht insgesamt vier Wochen. „Es war die längste Zeit, die wir je miteinander verbracht haben“, sagen Carola Lilienthal und Jean-Charles Voisine. In zwei, drei Jahren möchten sie einen Laden mit frischen, französischen Lebensmitteln eröffnen. In Hamburg. Damit sie sich nie wieder trennen müssen.

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