Hamburg. Die Abendblatt-Leser entscheiden über den Publikumssieger beim Hamburger Architektur Preis. Zur Wahl stehen acht Gebäude.

Gute Architektur und vorbildliches Bauen – das prämiert der Bund Deutscher Architekten (BDA) in Hamburg seit 1996 alle zwei Jahre mit seinem Architektur Preis. Das Besondere dabei: Neben den durch eine Fachjury ausgewählten Preisträgern gibt es auch einen BDA-Publikumspreis, über den in diesem Jahr wieder die Abendblatt-Leser entscheiden können.

Doch was ist eine gute Architektur? Darüber mögen sich viele streiten, und gerade in Hamburg wird gerne gestrittenen, welche Neubauten nun gelungen sind und welche nicht. Die einen schimpfen über immer gleiche Kästen, andere sprechen von rückwärts gewandter Architektur, wenn Planer historische Vorbilder für ihre Entwürfe verwenden. Doch eigentlich ist die Sache relativ klar, sagt die Geschäftsstellenleiterin des BDA Hamburg, Hildegard Kösters. „Gute Architektur für Hamburg ist hamburgspezifische Architektur.“ Also keine „Allerwelts-Architektur“, die überall stehen könnte, sondern eine, die Traditionen des Bauens in Hamburg aufgreife und mit Materialen unserer Zeit umsetze und weiterentwickle. „Wir wollen mit dem Preis für eine hohe Qualität werben, indem wir dafür gute Beispiele finden“, sagt Kösters. Dabei stehe es um den Stand der Baukunst in Hamburg nicht schlecht, die Bauqualität sei hier höher als in anderen großen Städten, meint die BDA-Geschäftsstellenleiterin.

Das zeige schon die hohe Zahl von eingereichten Arbeiten: Die Jury aus Oberbaudirektor Jörn Walter und externen Fachleuten habe in den vergangenen Wochen 79 Bauvorhaben angesehen und unter ihnen verschiedene Preisträger ausgewählt. Alle eingereichten Entwürfe wurden in den zurückliegenden zwei Jahren im Großraum Hamburg gebaut und sind Projekte sehr unterschiedlicher Art: Reine Wohnhäuser sind darunter, Gewerbebauten und auch soziale Einrichtungen. Bei dem Preis sei bewusst darauf verzichtet worden, einzelne Kategorien wie Wohnen oder Gewerbe zu bilden, vielmehr komme es darauf an, wie die Architekten und auch die Bauherren die jeweilige Bauaufgabe umgesetzt hätten. Eben im Sinne von Qualität.

Die Gewinner des BDA-Architekturpreises 2016 werden allerdings erst im November bekannt gegeben und öffentlich gewürdigt. Denn zuvor können nun auch Abendblatt-Leser ihre Favoriten unter den Gebäuden wählen. Die Jury hat dazu in einer Art Nominierungs­verfahren acht unterschiedliche Bauten vorgeschlagen. Jedes dieser Gebäude hat von ihr schon eine Preisbewertung erhalten. Kösters: „Und nun ist es natürlich spannend, wie für den Publikumspreis entschieden wird.“ Ob Jury und Leser einen ähnlichen Geschmack haben – oder auch nicht.

So bunt wie St. Pauli: Hier mussten die Planer Farbe bekennen
Ein buntes Haus in einem wirklich bunten Viertel: Andere Standorte als der Spielbudenplatz an der Reeperbahn wären für ein solch auffälliges Gebäude wohl auch kaum denkbar: Das Klubhaus St. Pauli (akyol kamps : bbp architekten) wirkt vor allem durch seine pralle Farbigkeit. In dem Neubau sind Musik-Clubs und ein Theater eingezogen – und das sollte in der Fassade auch deutlich werden. Die Planer lösten die Aufgabe der Jury zufolge sehr gut mit Metallgittermodulen und neuer LED-Technik. Die Jury spricht dabei von einer „dreidimensionalen Topografie einer Medienfassade“. Virtuelles Medium und Baustoff würden dabei zu „nicht unterscheidbaren Baukörper“ verwoben. Wie auch immer, hier wird schnell klar, dass man dort keine Formulare bekommt, sondern gute Unterhaltung.

Eine runde Sache
Das achtgeschossige Büro- und Geschäftshaus an der Ecke Heuberg/Hohe Bleichen (André Poitiers Architekt GmbH) bildet einen Abschluss am Rand des Hanse-Viertels in der Innenstadt. Der Neubau orientiert sich nach Auffassung der BDA-Jury an der historischen Nachbarbebauung des 1926 gebauten Broschek-Hauses. Diese Bewertung überrascht auf den ersten Blick, bei näherer Betrachtung fällt aber tatsächlich auf, wie ähnlich doch Farbe und Struktur der beiden Fassaden sind. Auch das Prinzip von Staffelgeschossen findet sich in dem Neubau wieder, der aber eben durch seine Rundungen auch etwas Neues darstellt. Er „nimmt die historische Thematik und Gliederung auf und fügt seine architektonischen Elemente in neuartiger Weise zusammen“, so heißt es in der Bewertung der Jury für die Nominierung.

„Elbdeck“ am Hafenrand
Wohnen am Wasser – dass solche Lagen begehrt werden würden, hat schon früh der kürzlich verstorbene ehemalige Oberbaudirektor Egbert Kossak erkannt. Er sprach von einer „Perlenkette“, die sich entlang der früheren Altonaer Hafengebiete entwickeln sollte. Die Kette neuer Gebäude ist längst fertig, das „Elbdeck“ (Carsten Roth Architekt) auf der sogenannten Sichelfläche in zweiter Reihe ist aus Sicht der BDA-Jury nun die wohl letzte Perle dieser Kette. Die Anordnung der Gebäude erlaube weiter Blicke von den Wanderwegen des Elbhangs auf die Elbe. Eine hellrote Farbigkeit und weiße Putzflächen würden dem Ensemble ein mediterranes Flair verleihen. Sie wirkten stets heiter, selbst an trüben Tagen, befand die Jury und beweist damit, dass Planer auch beim Formulieren Fantasie entwickeln können.

Konzertsaal im Bunker
Hier wird die Architektur hörbar: Der Resonanzraum St. Pauli (Prof. Jörg Friedrich, PFP Planungs GmbH) ist ein Konzertsaal eines selbstverwalteten Kammerorchesters, das die Möglichkeit bekam, in den Hochbunker auf dem Heiligengeistfeld einzuziehen. Aufgabe der Planer war hier deshalb mal keine Fassadengestaltung, sondern sie mussten Lösungen im Inneren schaffen. Und das ist ihnen nach Auffassung der BDAJury vorzüglich gelungen, weshalb auch diese Arbeit für den Publikumspreis nominiert wurde. Fragen der Akustik galt es zu bedenken und ein ideales Raumkonzept zu entwickeln, das für bis zu 250 Zuschauer und 25 Musiker ausgelegt ist. Besonderheit: Gespielt werde dort bei geöffneter Bar. Drehtore ermöglichen Verbindungen zu Nebenräumen, sodass auf Wunsch mehr Raumvolumen geschaffen werden könne.

Eine Kita wie ein Waldhaus
Eine Blockhütte oder eher eine Jagd-Lodge irgendwo in den Wäldern von British Columbia? Das könnte die erste Assoziation sein, wenn man ein Foto dieses Gebäudes von Kraus Schönberg Architekten sieht: Die Holzfassade scheint mit den Bäumen dort fast zu verschmelzen, Natur und vom Menschen Geschaffenes wirken wie eine Einheit, perfekt für ein Gebäude in der Wildnis. Nur, das Haus steht am Bredenbekkamp in Wohldorf-Ohlstedt und ist eine Kindertagesstätte mit dem Namen „Kinderkreisel“. Besser kann so eine Einrichtung aber wohl kaum liegen. „Der Neubau macht Natur in verschiedenen Abstufungen ganzjährig für die Kinder erlebbar“, heißt es auch bei der BDA-Jury, die diesen Bau daher als preiswürdig empfiehlt. „ Blickachsen“ ergäben Ausblicke auf die Natur – aber auch auf die gegenüber liegenden Räume. „Es spannt sich so ein ineinandergreifendes Netz aus Natur und menschlicher Aktivität“, heißt es weiter von der Jury.

Zimtturm der HafenCity
Wo heute in der HafenCity der erste Abschnitt des Überseequartiers steht, war vor einigen Jahren noch das Domizil der Hamburger Hafenbehörde, des früheren Amts für Strom- und Hafenbau. Viel davon ist abgerissen, ein alter Teil der Gebäude aber ist erhalten geblieben und liegt heute als Hotel zum Teil etwas versteckt in einer Art Kuhle, weil ringsherum das Gelände sturmflutsicher aufgeschüttet wurde. Weithin sichtbar am Ensemble „Altes Hafenamt“ (Bolles+ Wilson GmbH) ist aber der neu erbaute „Cinnamon Tower“ (Zimtturm), der wie eine Nadel aus den übrigen Gebäuden herausragt. Vom „Typus eines Campanile“, spricht die BDA-Jury. Also von einem frei stehenden Glockenturm, an den dieser schlanke Wohnturm erinnere. „Opulente farbige Nuancen“ sehen die Fachleute dort und eine der „Speicherstadt nachempfundenen Kolorierung“ an der Fassade. Alte und neue Bausubstanz würden hier erlebbar.

Ein Gewerbebau, neu interpretiert
Wenn man sich heute alte Fabriken anschaut, wundert man sich oft über die Detailfülle bei der Gestaltung. Damals, so scheint es, hat man offensichtlich auch bei diesen Gewerbebauten viel stärker auf die architektonische Wirkung geachtet als heute. Mittlerweile ist eine Logistikhalle eine Logistikhalle – und sonst nix. Dass aber moderne Gewerbebauten durchaus einen architektonischen Anspruch haben können, zeigt nach Ansicht der BDA-Jury dieser Bau am Jaffe-David-Kanal in Wilhelmsburg. Der Industriehof Jaffe 12 (A-Quadrat- Architekten + Ingenieure) – ein Projekt der Internationalen Bauausstellung – biete ein sehr flexibles und mehrstöckiges Raumangebot von 90 bis 500 Quadratmeter großen Einheiten. Corten- Stahl mit Rost-Anmutung, Beton und Glas würden hier den Charakter des früheren Industriegebiets erkennen lassen. Beides zusammen sei eine „Neuinterpretation“ des Gewerbebaus für zukünftige und neuartige Nutzungsanforderungen.

Aufbruch in Hamm
Wenn man heute auf den alten Industriekanälen von Hamm und Hammerbrook mit dem Boot fährt, merkt man eines sehr schnell: Die Wasserseite war früher hinten. Nichts, was man Besuchern zeigen würde. Heute ist Wasser vorne, eine oft geschätzte Lage auch zum Wohnen, wie das Beispiel HafenCity zeigt. Auch der kanaldurchzogene Osten der Stadt soll sich in Zukunft nach dem Willen des Senats zu einer solchen Wohnlage mit Wasserbezug entwickeln. Wie das gehen kann, zeigt dieser überraschende Komplex mit dem Namen „ Hansaterrassen“ (Blauraum Architekten GmbH) in Hamm. Hell statt dunkel ist die Fassade, die Gebäude orientieren sich am Wasser, irgendwie orientalisch wirken vor allem die goldenen Balkone, die in Wahrheit an eine QR-Code-Lochung erinnern sollen. Das Quartier bilde einen Kontrast zu den angrenzenden Gebäuden und setze so ein Signal zur Veränderung des Stadtteils, heißt es bei der Jury.