Revolutionsführer Fidel Castro ist mit 90 Revolutionswächter
•
Lesezeit: 5 Minuten
Von Klaus Ehringfeld
Havanna. Schon mehrfach wurde er in sozialen Netzwerken für tot erklärt. Doch Fidel Castro zieht in Kuba weiterhin Strippen. Nun wird er 90.
Es ist in diesen Tagen schwer, Fidel Castro in Kuba auszuweichen. Man sieht ihn auf Plakaten und im Fernsehen, man hört ihn im Radio. Die staatlichen Zeitungen sind voller Elogen auf ihn. Niemals nach seinem plötzlichen Abschied von der Macht vor zehn Jahren war der Revolutionsführer so präsent wie jetzt. Castro I. wird an diesem Sonnabend 90 Jahre alt, und es hat den Anschein, dass die Regierung den wichtigsten Vater der kubanischen Revolution groß ehren will. „Fidel entre nosotros“ heißt das Motto. „Fidel unter uns“, so als sei er noch immer der Mann, der die Geschicke Kubas bestimmt.
Aber seit Fidel Castro am 31. Juli 2006 wegen einer Darmerkrankung plötzlich aufs Altenteil wechselte, wacht er nur noch aus dem Hintergrund darüber, dass sein fünf Jahre jüngerer Bruder Raúl das Eiland nicht zu sehr in kapitalistische Gewässer abdriften lässt. Noch immer endet jeder wichtige Faden in den Händen von Castro I. und Castro II. Eine Familienherrschaft von linken Veränderern, die mal antraten, das Volk vom Joch des brutalen und korrupten Bösewichts Fulgencio Batista zu befreien.
Fidel Castros Leben in Bildern
1/17
Fidel ist zwar weg, aber doch noch irgendwie da. Als Mahner, Aufsatzschreiber, kommunistisches Korrektiv. Aus dem Revolutionsführer ist ein Revolutionswächter geworden. Ende März, nachdem Raúl Castro US-Präsident Barack Obama empfangen hatte, fiel Fidel über den Besucher aus Washington mit einer Mischung aus historischer Lehrstunde, Spott und Kritik her. Zentrale Aussage: Die neue Nähe zum Nachbarn ist der falsche Weg. „Wir brauchen keine Geschenke vom Imperium“, versicherte Castro I. Fidel hat anders als sein Bruder immer die Frontstellung gegen den kapitalistischen Westen aufrechterhalten. Die Konservativen, denen der Öffnungskurs des kleinen Bruders suspekt sei, versteckten sich hinter Fidel, sagt der Politologe und frühere kubanische Diplomat Carlos Alzugaray.
Castro hatte seine eigene Form des Sozialismus
So muss man vielleicht auch den bisher letzten öffentlichen Auftritt von Fidel Castro werten. Mitte April tauchte er auf dem Parteikongress der kubanischen Kommunisten auf. In der bekannten Adidas-Trainingsjacke trat er ans Rednerpult: Körperlich schwach, aber im Kopf noch wach, kokettierte er vor 1000 Delegierten mit seinem möglichen Ableben: „Ich werde bald 90, was ich nie für möglich gehalten hätte. Es war eine Laune der Natur“, sagte er: „Aber jeder ist mal dran. Doch die kubanischen Ideen bestehen fort.“ Castro, der 1959 die Revolutionäre beim Einmarsch in Havanna anführte, versicherte, dass man auch nach ihm an den gleichen Idealen festhalten werde: „Unseren Brüdern in Lateinamerika und der Welt sei gesagt: Das kubanische Volk wird siegen.“
Was immer das heißen mag in einer Zeit, in der nichts steter ist als die Veränderung – auch auf Kuba. Trotz ungekannter Reformen und wirtschaftlicher Freiheiten, die Castro II. angeschoben hat, sucht das Volk zu Tausenden das Weite in Richtung USA.
Was Fidel Castro von all dem hält, weiß man nicht. Schmerzliche Realitäten hat er stets als Verschwörung gegen seine Insel gesehen. Und er hat Überlebenstalent bewiesen. Er hat die bis heute mysteriöse Darmerkrankung 2006 überstanden, genau wie neun US-Präsidenten und nach eigenen Angaben 638 Attentate in 47 Jahren an der Macht.
Castro und Tod sind zwei Begriffe, die nicht zusammen passen wollten in seinem Leben. Mit nur 20 Mitstreitern wie dem argentinischen Arzt Che Guevara, nimmt er in den Wäldern den Kampf gegen die Armee von Diktator Batista auf, der drei Jahre später kapituliert und in der Neujahrsnacht 1959 flieht. Nach dem Sieg schert sich Castro nicht viel um kommunistische Lehrsätze.
Erst die US-Wirtschaftsblockade, die Schweinebucht und Druck aus seinem Umfeld, vor allem durch Bruder Raúl, bringen ihn dazu, sich der Sowjetunion zuzuwenden. Mit seiner eigenen Form des Sozialismus: Einer Mischung aus Marx, Lenin, dem kubanischen Freiheitshelden José Martí und eben Castro – im Fidelismus spielt der Staatschef eine größere Rolle als politische Doktrinen. Mit dem Zusammenbruch der UdSSR fiel Castro jedoch der Hauptsponsor weg. Die neuen Freunde in Venezuela sind inzwischen jedoch selbst so klamm, dass sie die Öllieferungen drastisch reduzieren müssen. Präsident Raúl Castro stellte die Bevölkerung schon auf neue Sparmaßnahmen ein.
Fidel muss sich um die Lösung dieser Probleme nicht mehr kümmern. Er ist heute ein eiserner Greis, weit von dem Mann entfernt, dem man überall auf den Bildern in Havanna begegnet.
Hauptstadt Inside von Jörg Quoos, Chefredakteur der FUNKE Zentralredaktion
Hinter den Kulissen der Politik - meinungsstark, exklusiv, relevant.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der
Werbevereinbarung
zu.