Berlin. Im ARD-Drama „Aus der Haut“ entfremdet sich die Eltern von ihrem jugendlichen Sohn, weil sie Probleme mit seinem Coming-out haben.

„Ich bin schwul“, sagt der 17-jährige Sohn in der geschmackssicher eingerichteten Küche seines Elternhauses. „Das ist doch in Ordnung, das ist schön, dass du das rausgefunden hast“, sagt der Vater und holt gleich einen Champagner, um darauf anzustoßen. „Ich freu mich auch für dich“, sagt die Mutter. Erleichterung? Mitnichten. Dazu klingen die Stimmen der Eltern zu brüchig, die Formulierungen zu schablonenhaft. Sie sprechen, wie sie gerne denken würden. Niemand wagt zu sagen, was wirklich in ihm vorgeht. Am Ende leert der Vater die Champagnergläser allein. In einem Zug.

Dies ist die Schlüsselszene in dem ARD-Drama „Aus der Haut“ über den Wahnsinn des Erwachsenwerdens (Mittwoch, 9. März, 20.15 Uhr).

Susann (Claudia Michelsen, „Der Turm“) ist Ärztin und Gustav (Johann von Bülow, „Das Labyrinth des Schweigens“) Architekt. Geldsorgen haben sie also keine. „Uns geht es gut“, sagt Susann einmal und scheint ihren Worten nicht zu trauen. „Wir leben harmonisch miteinander.“

Die komplizierte Dynamik sexuellen Erwachens bei Jugendlichen

Doch davon kann keine Rede sein. Alles kreist um Sohn Milan (Merlin Rose), denn er ist ein Problemkind. Depressionen, Wutausbrüche, Ängste, Drogen, ein Selbstmordversuch. Eine gepeinigte Seele. Die Eltern sind aufgeschlossen, liberal – und ratlos. Die Mutter versucht, das Gute zu sehen. „Er ist kreativ, energiereich“, beteuert sie der Familientherapeutin. Sie wollten die nettesten Eltern der Welt sein, ihrem Sohn auf Augenhöhe begegnen. Und beobachten nun ihr Scheitern.

„Milan hat zwar ein liberales und aufgeklärtes Elternhaus, aber selbst seine Eltern haben Probleme mit dem Outing ihres Sohnes“, sagt Hauptdarsteller Merlin Rose (23, zurzeit auch zu sehen in dem Kinofilm „Als wir träumten“): „Sie müssen plötzlich beim Elternabend für ihren Sohn eintreten, was sie vorher nie tun mussten. Auch sonst gehen die Eltern nicht gerade perfekt mit der neuen Nachricht um.“ Den Zugang zu ihrem Kind haben beide längst verloren. Und sie lernen, langsam loszulassen. Der Vater liebäugelt mit einem Jobangebot in Berlin. Die Mutter hat sich den Traum der eigenen Praxis erfüllt, nähert sich einem anderen Mann an. Und manchmal, so scheint es, ist es ein schmaler Grat zwischen Loslassen und Aufgeben.

Merlin Rose spielt den Teenager zwischen Welthass und Selbstverwirklichung

„Aus der Haut“ ist eine Geschichte über die komplizierte Dynamik sexuellen Erwachens. Merlin Rose spielt den zerrissenen Teeanger voller Weltschmerz und Selbsthass, Zweifel und Scham. Aber es ist keine reine Coming-out-Story, die Regisseur Stefan Schaller („5 Jahre Leben“) inszenierte. Sorgfältig beleuchtet der Film das Beziehungsgeflecht seiner Charaktere. Und so geht es vielmehr um den drohenden Zerfall einer Familie, in der jeder mit seinen Sehnsüchten allein ist. Die Haut im Titel taugt für viele Metaphern. Die Familienmitglieder fühlen sich nicht wohl in ihrer Haut. Sie fahren aus der Haut. Und am Ende häuten sie sich. Mit allen Konsequenzen.

Fazit: Ein ehrlicher und klischeefreier Film, der zeigt: Ein Coming-out ist noch kein Ticket ins Glück.

• Mittwoch, 9. März, 20.15 Uhr, ARD: „Aus der Haut“