Hamburg. Trauer um Kathrin D., die nach dem Unfall an der Poppelbütteler Hauptstraße zu Tode kam. Polizei fahndet mit Spezialgerät nach Täter.

Es sind genau 82 Schritte, sagt der Vater mit leerem Blick, er hat nachgezählt. Von der Tür des Elternhauses von Kathrin D. auf die Poppenbüttler Hauptstraße, bis zur Einmündung der Straße Kupferhammer. Die Polizei hat Linien auf den Asphalt gemalt, wo die 21-Jährige am Sonntagmorgen aus dem Leben gerissen wurde. Von einer unbekannten Person am Steuer eines Autos. An einem Baumstamm lehnen Kerzen und Blumen im Laub. „Ich bespreche mich erst einmal mit meinem Anwalt“, sagt der Vater, mehr will er nicht sagen. Bei jedem Blick auf den Unfallort schimmern Tränen in seinen Augen.

Im Polizeipräsidium wird unterdessen aus den Linien auf der Straße ein 3-D-Modell – der rekonstruierte Hergang am Unfallmorgen. Die Ermittler haben die Kreuzung mit dem „Imager“ vermessen, einem etwa 150.000 Euro teuren Spezialscanner. „Das Gerät ist millimetergenau“, sagt Polizeisprecher Holger Vehren. Bislang gibt es keine Zeugen, die den tödlichen Unfall am Sonntagmorgen gegen 5.13 Uhr beobachtet haben. „Es können auch sehr kleine Spuren sein, die uns letztlich den entscheidenden Hinweis zum Täter geben“, sagt Vehren. In dramatischen, aber oft schwer zu ermittelnden Fällen kommt der Imager seit 2009 in Hamburg zum Einsatz.

Die Ermittler stehen vor einem schwierigen Puzzle. Zwar hinterlässt nahezu jede Unfallflucht auch Spuren am Unfallort. Ergiebig für die Polizei ist Lackabrieb, aus dem sich eine Farbe oder bestimmtes Autofabrikat ableiten lässt. „Wenn dabei aber etwa ein schwarzer VW Golf als Ergebnis herauskommt, ist das in Hamburg die sprichwörtliche Nadelsuche im Heuhaufen“, heißt es aus dem Präsidium.

Zeugen sind Gold wert, die Polizei hofft noch auf einen entscheidenden Hinweis zum Unfall an der Poppenbüttler Hauptstraße. Das Landeskriminalamt nimmt unter ­4286-56789 Hinweise entgegen. Ein Taxifahrer fand die 21-Jährige, als sie schon bewusstlos und schwer verletzt auf dem Asphalt lag. Sie verstarb noch am Morgen im Krankenhaus. Von den Nachbarn im ruhigen Alstertal scheint niemand das Geschehen auf der Hauptstraße mitbekommen zu haben. Die Indizienlage sei dünn, heißt es von Ermittlerseite.

Dabei drängt die Zeit. „Ein wesentliches Problem bei der Strafverfolgung von geflüchteten Unfallfahrern ist, dass die Täter nach einer gewissen Zeitspanne die Schäden an ihrem Auto reparieren lassen. Die Beweisführung kann dann häufig nur auf einer Sammlung von Indizien beruhen“, sagt Nana Frombach, Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft. Auch für diesen Fall müsse jedes Detail genau und gerichtsfest protokolliert werden.

Für die Polizei kann in der Fahrt des Täters zur Reparatur dagegen eine Chance liegen. Sobald der Unfallhergang und die zu erwartenden Spuren am Auto ermittelt wurden, putzen die Ermittler häufig Klinken der Werkstätten. „Wenn die Spur zu einem Täter führt, lassen sich die Schäden manchmal auch nach einer Reparatur noch sichtbar machen. Die Technik ist hier inzwischen sehr weit“, sagt Frombach.

Der 3-D-Scanner
„Imager“ wird bei
schweren Delikten eingesetzt
Der 3-D-Scanner „Imager“ wird bei schweren Delikten eingesetzt © Polizei

Von rund 900 Fällen, bei denen im vergangenen Jahr bei Unfällen in Hamburg Personen zu Schaden kamen und eine Unfallflucht vorlag, konnten die Ermittler bereits 500 aufklären. Insgesamt fährt in Hamburg bei einem Viertel aller Unfälle ein Beteiligter einfach davon. „Dieser Anteil ist in den vergangenen Jahren konstant hoch“, sagt Polizeisprecher Vehren. Oft sind die Täter völlig unauffällige Hamburger, viele geben sich nach einiger Zeit selbst zu erkennen (siehe Interview).

An der Poppenbüttler Hauptstraße legen am Montagnachmittag weiter Freunde und Bekannte Blumen nieder. Sie nehmen still Abschied von Kathrin D., der Frau, die seit ihren Jugendtagen in der Freiwilligen Feuerwehr engagiert war. Seit 2012 war die 21-Jährige im Einsatz, wenn es brannte oder es zu schwereren Unfällen im Alstertal kam. Am Sonntagmorgen war die junge Frau offenbar allein auf dem Weg nach Hause. Ihrer Familie bleibt indes nur das Warten auf Antworten. Sie will wissen, warum Kathrin D. die letzten 82 Schritte zur Tür nie gehen konnte.