Der deutsche Formel-1-Rennfahrer Sebastian Vettel ist zum vierten Mal Weltmeister geworden. Auf der Zielgeraden ließ er seinen Emotionen freien Lauf - mit bösen Folgen.

Greater Noida (Indien). Entfesselt drehte Sebastian Vettel mit seiner „Hungry Heidi“ rauchende Kreisel auf der Zielgeraden und ließ seinen großen Emotionen freien Lauf. Nach seinem historischen vierten Formel-1-Titel in Serie warf er sich vor den jubelnden indischen Fans in Triumphpose, dann huldigte er auf Knien seinem Weltmeister-Auto. „Das ist einer der schönsten Tage meines Lebens“, sagte Vettel am Sonntag sichtlich ergriffen: „Als ich über die Ziellinie fuhr, war ich einfach leer. Es gibt so viele Dinge, die du sagen willst, aber du kannst es einfach nicht.“

Doch die zuständigen Rennkommissare sahen die Jubel-Geste gar nicht gern. Für seinen rauchenden Kreisel hat der Formel-1-Pilot eine Verwarnung kassiert. Seinem Red-Bull-Team wurde zudem eine Geldstrafe in Höhe von 25 000 Euro aufgebrummt. Der offizielle Grund: Vettel hab für eine unnötige Verzögerung nach dem Großen Preis von Indien am Sonntag gesorgt. Er hätte direkt in den sogenannten Parc fermé fahren und dort seinen Wagen abstellen müssen.

Vettel hatte es hingegen vorgezogen, seine „Hungry Heidi“ auf der Zielgeraden zu parken. Er war auf seinen Wagen gestiegen und hatte seine Freude mit den begeisterten Zuschauern auf der Haupttribüne des Buddh International Circuits geteilt. Danach hatte er sich vor seinem Auto verneigt und den Zaun zu den Tribünen erklommen, um seine Handschuhe in die Zuschauermenge zu werfen.

3000 Fans feiern in Heppenheim

Grund zum Feiern hat der 26-Jährige jedoch genug: Nach einer weiter Gala-Fahrt in Indien sicherte er sich seinen vierten WM-Titel und ist damit in Rekordtempo in die Geschichtsbücher der Formel 1 gerast. Der Red-Bull-Pilot hat sich zum mit Abstand jüngsten Vierfach-Weltmeister der Geschichte gekürt. Michael Schumacher war bei seinem vierten Titel bereits 32 Jahre alt.

Vettel ist zudem nun Mitglied eines ganz elitären Fahrer-Zirkels: Bisher konnten überhaupt erst drei Fahrer vier oder mehr WM-Titel in der Formel 1 gewinnen: Rekordweltmeister Schumacher (sieben Titel), Juan Manuel Fangio (fünf) und Alain Prost (vier). „Yes, yees, yeeees“, brüllte Vettel nach der Zieldurchfahrt um 16.43 Uhr Ortszeit: „Unglaublich!“

Mehr als 3000 Fans haben in Sebastian Vettels Heimatstadt Heppenheim den vierten WM-Triumph des 26-Jährigen in der Formel 1 gefeiert. Die Anhänger des Red-Bull-Piloten verfolgten den entscheidenden Großen Preis von Indien live auf einer großen Leinwand mit – und Vettel freute sich nach dem Rennen aus der Ferne über die Unterstützung aus Hessen. „Jetzt haben die Leute einen Grund zum Saufen!“, sagte der alte und neue Champion mit einem breiten Grinsen bei RTL.

Der Triumph vor den Toren der Millionenmetropole Neu-Delhis ist für Vettel die Krönung einer beeindruckenden Saison, in der der Heppenheimer spätestens nach der Sommerpause als absoluter Dominator auftrat und der Konkurrenz um Fernando Alonso (Ferrari) nicht den Hauch einer Chance ließ. Auf eine ganz große Party wollte Vettel dennoch verzichten und stattdessen am Abend noch zurück in die Schweiz fliegen, wo er mit seiner Freundin Hanna einen Bauernhof bewohnt.

Rivale Alonso landet am Ende auf Platz elf

Dem alten und neuen Champion hätte im 16. von 19 Saisonrennen schon ein fünfter Platz sicher zur vorzeitigen Titelverteidigung gereicht – doch damit wollte sich Vettel einfach nicht zufrieden geben. Der Indien-Experte, der bisher alle Rennen in Greater Noida gewonnen hat, bewies einmal mehr, dass er in einer anderen Liga als der Rest des Feldes fährt. Wie auf Schienen preschte er seinem 36. Sieg der immer noch jungen Karriere entgegen – mit 115 Punkten Vorsprung liegt er nun uneinholbar und einsam an der Spitze.

Alonso, vor dem Rennen Vettels letzter verbliebener WM-Rivale, fiel nach einer kleinen Kollision am Start mit Vettels Teamkollegen Mark Webber (Australien) weit zurück und kam am Ende nicht über Platz elf hinaus. Webber musste seinen Wagen später wegen Problemen am Getriebe vorzeitig abstellen.

Hinter Vettel machte Mercedes-Pilot Nico Rosberg (Wiesbaden) den deutschen Doppelsieg perfekt, Lotus-Pilot Romain Grosjean (Frankreich) fuhr von Startplatz 17 am Ende auf Rang drei. Dank Vettels Sieg sicherte sich Red Bull ebenfalls zum vierten Mal in Serie den Konstrukteurs-Titel.

Lewis Hamilton (England) landete mit dem zweiten Silberpfeil nur auf Platz sechs. Adrian Sutil (Force India/Gräfelfing) musste sich bei dem Heimrennen seines Teams mit Platz neun zufrieden geben. Nico Hülkenberg (Sauber/Emmerich) schied kurz vor Schluss aus.

Ein Rekord jagt den nächsten

Vettel jagt jagt nach seinem sechsten Sieg in Serie und dem zehnten der Saison weiter zwei Bestmarken von Rekordweltmeister Schumacher. Der 44 Jahre alte Kerpener hatte 2004 die ersten sieben Rennen der Saison und insgesamt 13 gewonnen. Shooting-Star Vettel kann seine beeindruckende Serie nächste Woche in Abu Dhabi und danach noch bei den Rennen in Austin (USA) und beim Saisonfinale in São Paulo (Brasilien) ausbauen und den Schumacher-Rekord der Saison-Triumphe einstellen.

Der legendäre Alberto Ascari gewann in den 50er Jahren sogar neun Rennen in Folge – allerdings nicht in einem Jahr. Der Italiener holte die ersten sechs Siege 1952 und weitere drei in der darauffolgenden Saison. Vettel hat weiter die Chance, dieses Kunststück als erster Formel-1-Pilot in einem Jahr zu schaffen.

Vettels Erfolge in diesem Jahr hatten aber auch dunkle Seiten. Immer öfter wurde der Seriensieger zuletzt ausgepfiffen. Der Bruch der Stallorder gegen seinen Teamkollegen Mark Webber war für den Sympathieträger ein Imagedesaster. Für viele Fans hat er in dieser umstrittenen Szene seine Maske fallen lassen und sein wahres Gesicht gezeigt – rücksichtlos wie einst Schumacher. Dabei wird Vettel nicht müde zu behaupten, wie wichtig ihm Integrität im Leben ist. Seit dem Vorfall in Sepang kämpft Vettel darum, Fans zurückzugewinnen. Keine leichte Aufgabe. Die Buhrufe berühren ihn mehr, als er zugeben will.

Doch mehr als die Liebe der Fans interessiert ihn das Gewinnen. Selbst Schumacher geht davon aus, dass er eines Tages von seinem Erben Vettel vom PS-Thron gestoßen wird. „Rekorde sind da, um gebrochen zu werden – das habe ich ja auch gemacht. Warum sollte er nicht sieben schaffen?“, sagte „Schumi“ zuletzt. Den vierten Titel hat sich Vettel nun auf beeindruckende Manier gesichert. Und wer den Blondschopf kennt, weiß: Vettel bleibt hungrig.