Leitartikel

Lehrer in Hamburg werden in die Pflicht genommen

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Peter Ulrich Meyer
Peter Ulrich Meyer leitet das Ressort Landespolitik des Hamburger Abendblatts.

Peter Ulrich Meyer leitet das Ressort Landespolitik des Hamburger Abendblatts.

Foto: HA / A.Laible

Nur Hamburger Lehrer, die ein ärztliches Attest vorlegen, werden vom Präsenzunterricht befreit. Ein Kommentar.

Hamburg. Das Schulwesen erlebt die wahrscheinlich schwierigste Phase seit dem demokratischen Neustart nach den Verheerungen der NS-Zeit und den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs. Die komplette Einstellung des regulären Schulbetriebs und die Umstellung auf Homeschooling infolge der Corona-Pandemie hat Lehrer, Eltern und Schüler in eine Situation gebracht, für die es kein Vorbild und keine Einübung gab.

Der abrupte Systemwechsel ist nicht in allen Schulen und schon gar nicht für alle Schülerinnen und Schüler gleich gut verlaufen. Soziale, sprachliche oder kulturelle Barrieren haben sich in den zurückliegenden Monaten besonders stark negativ ausgewirkt. Vielleicht wird man erst in den kommenden Jahren ermessen können, welchen (Leistungs-)Einbruch die Zwangspause vom regulären Unterricht bedeutet. Immerhin geht es um fast ein komplettes Schulhalbjahr.

Abiprüfungen trotz Corona waren richtig

Andererseits ist festzuhalten, dass der Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern sowie Schulleitungen dazu geführt hat – um nur dieses Beispiel zu nehmen – , dass die Abschlussprüfungen unter weitgehend regulären Bedingungen, wenngleich in dem sehr speziellen Umfeld einer fast leeren Schule, abgehalten werden konnten. Erste Auswertungen deuten darauf hin, dass die Leistungen zum Beispiel des Abiturjahrgangs 2020 nicht signifikant schlechter sind als deren Vorgänger.

Im Vorfeld der Prüfungen hatte es vehement vorgetragene Forderungen nach einer Verschiebung auf einen deutlich späteren Termin oder gar einem Verzicht auf die Abschlussklausuren gegeben. Rückblickend lässt sich sagen: Es war offensichtlich richtig, zuversichtlich zu sein und den Schülern generell zuzutrauen, dass sie die Prüfungen auch unter den ungewöhnlichen Bedingungen einer Pandemie schaffen.

Zuversicht ist auch ein guter Ratgeber für den entscheidenden Schritt, der den Schulen auf dem Weg in die Normalität nach den Sommerferien bevorsteht. Von August an sollen wenigstens die Grundschüler sowie die Fünft- und Sechstklässler komplett in der Schule und im Klassenverband unterrichtet werden. Die Eltern und wohl auch viele Schüler sehnen diesen Augenblick geradezu herbei, was nach den Wochen des häuslichen Ausnahmezustands ausgesprochen nachvollziehbar ist.

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Hamburg ist bei der Rückkehr in den Regelbetrieb zurückhaltender als andere Bundesländer. Das ermöglichte es den Schulen, sich besser auf den Neustart vorzubereiten, auch wenn Geduld und Ausdauer vieler Eltern dadurch stark strapaziert wurden. Teil des eher behutsamen Weges zurück in den Regelunterricht war eine relativ großzügige Ausnahmeregelung für Lehrer, die aus gesundheitlichen Gründen nicht in den Präsenzunterricht zurückkehren wollten.

Auch wenn es noch immer nicht wissenschaftlich eindeutig erwiesen ist, dass Kinder und Jugendliche andere Menschen seltener mit dem Coronavirus infizieren und selbst seltener infiziert werden als Erwachsene, so weisen doch die Indizien und die Erfahrungen mit dem eingeschränkten Präsenzunterricht genau in diese Richtung. Einen völligen Ausschluss aller Risiken kann es nicht geben, aber der Schritt zurück zum Regelunterricht erscheint sehr vertretbar.

Normalbetrieb in den Schulen bedeutet auch, dass der primäre Arbeitsplatz für Lehrer wieder die Schule ist. Dabei muss der Gesundheitsschutz für die Pädagogen gleichwohl weiterhin hohe Priorität haben. Wenn schon Virologen in Wahrheit über den Zeitpunkt der Wiederöffnung der Schulen entscheiden und nicht etwa Politiker oder gar Schulpraktiker, dann ist es naheliegend, dass das Kriterium für die Befreiung vom Präsenzunterricht ein ärztliches Attest ist, wie es jetzt alle Bundesländer planen.

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