Kommentar

Warum die Kuschelpraxis ein gutes Geschäftsmodell ist

| Lesedauer: 2 Minuten
Elisabeth Jessen
Ein Besuch in Hamburgs erster Kuschelpraxis

Kuschelpraxis

Beschreibung anzeigen

Fürs Kuscheln Geld bezahlen? Wie armselig, wenn man so was nötig hat! Das ist bei vielen der erste gedankliche Reflex, wenn sie von Hamburgs erster Kuschelpraxis hören.

Mit den eigenen Kindern kuschelt man ständig (jedenfalls, solange sie noch klein sind), mit dem Partner auch (wenn einem der Alltag nicht ständig dazwischenfunkt). Aber längst nicht jeder hat eine Familie – oder sie lebt weit weg. Und es gibt Menschen, die keine Freunde haben, von denen sie wenigstens zur Begrüßung oder zum Abschied in den Arm genommen werden. Studien zufolge ist jeder zehnte Deutsche einsam, besonders im Alter wird die Einsamkeit immer dramatischer – ab 85 Jahren ist es sogar jeder Fünfte. Wer allein lebt und sich einsam fühlt, erkrankt auch häufiger an Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen.

Kuscheln und sich eine Stunde lang fallen lassen

Die britische Regierung bringt ja schon seit Jahren nicht besonders viel zustande, aber zumindest hat sie die Bedeutung des Themas erkannt und die weltweit erste Ministerin für Einsamkeit ernannt. Mag sein, dass es ein Armutszeichen für unsere Gesellschaft von Individualisten ist, dass so viele Menschen so wenig Kontakt zu anderen haben. Für eine Stadt der Singles wie Hamburg gilt das ganz besonders. Aber man kann inzwischen so vieles online erledigen, dass man kaum noch vor die Tür gehen muss.

Sicher, die Kuschelpraxis ist ein neues Geschäftsmodell, über das etliche den Kopf schütteln mögen. Aber viele Menschen sind bereit, Geld auszugeben für Behandlungen, die ihnen guttun. Ob Maniküre, Pediküre, Wellness-Anwendungen oder Massagen: All das ist gut für das Wohlbefinden – und kostet eine Stange Geld. Wer für professionelles Kuscheln bezahlt, kann sich eine Stunde lang fallen lassen. Es gibt dümmere Arten, sein Geld auszugeben.

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Kommentare