Leitartikel

Was viele asiatische Städte erfolgreich macht

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Matthias Iken

Die Reise von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) nach Asien zeigt, wie der Wandel vorangetrieben werden kann.

Es ist fünf Jahre her, dass drei ältere Herren Olaf Scholz im Rathaus besuchten: Der ehemalige Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) und die früheren Senatoren Wolfgang Peiner (CDU) und Willfried Maier (Grüne) überbrachten dem damaligen Hausherrn ein vierseitiges Papier: „In Sorge um Hamburg“ war nicht weniger als die Aufforderung, die Stadt endlich zu einer „Wissenschaftsmetropole“ zu entwickeln. Das verstanden manche in der Stadt damals als Affront.

Wer dieser Tage mit Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) durch Asien reist, sieht: Die Botschaft ist angekommen. Und sie ist wichtiger denn je. Egal ob in Shanghai, Kobe, Osaka oder Tokio – das große Thema ist die Wissenschaft. Und egal, ob der Bürgermeister mit seiner Delegation Olympus, Panasonic oder Toyota besucht: Überall geht es um Innovation, Wissen und Fortschritt. Ihnen allen ist klar: Eine Stadt, ein Unternehmen, das auch noch in Jahrzehnten Erfolg haben will, muss sich angesichts der dramatischen Brüche und disruptiven Veränderungen auf die Wissenschaft besinnen.

China etwa hat seinen Aufstieg mit dem Kopieren von Produkten begonnen, seinen Weg an die Spitze aber will sich das Reich der Mitte mit der Forschung in Zukunftstechnologien bahnen, etwa bei der künstlichen Intelligenz. Fühlten sich die Deutschen vor zwei Jahrzehnten noch als Entwicklungshelfer, befinden sie sich heute allerhöchstens auf Augenhöhe – und könnten in einigen Jahren zu Bittstellern abgestiegen sein. Wer China als totalitäres System begreift, muss das als Aufforderung zum Handeln verstehen. Im Wettstreit der Nationen wie der Systeme werden die Bedenkenträger und Umstandskrämer verlieren.

Es bedarf der Wissenschaft, um die Zukunft zu gewinnen

Zugleich hat die Delegationsreise gezeigt, wie der Wandel vorangetrieben werden kann: Die japanische Hafenstadt Kobe hat sich nach dem verheerenden Erdbeben 1995 neu erfunden und an die Spitze des biomedizinischen Fortschritts gesetzt; das Land nahm den Tsunami und die Reaktorkatastrophe von 2011 zum Anlass, die gesamte Wertschöpfungskette in der Wasserstofftechnologie zu erforschen und zu industrialisieren. Sollte das Land damit erfolgreich sein, dürfte der Vorsprung kaum einzuholen sein.

Es bedarf aber keiner Katastrophen, um die Zukunft zu gewinnen. Metropolen des Wissens reichen dafür. Peter Tschentscher und die Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) wissen das. Sie bauen Hamburg zur Stadt der Wissenschaft um und beschleunigen das Tempo. Die Exzellenzinitiative hat der Universität überraschende Erfolge beschert, die Stadt hat Forschungsinstitute gewonnen, die Science City ist ein Ausrufezeichen. Weitere Leuchttürme müssen folgen, ein Naturkundemuseum, ein Haus der Wissenschaften für alle. Es wäre fatal, ruhte sich Hamburg auf den ersten Erfolgen aus.

Exzellenz darf nicht dazu führen, dass andere Hochschulen darunter leiden. Zugleich muss die Science City konkreter werden, weitere Wissensviertel etwa auf dem Grasbrook dürfen hinzukommen. Entscheidend wird sein, die Forschungsergebnisse in konkrete Anwendungen zu übersetzen und zu wirtschaftlichen Erfolgen zu führen.

Eifersüchteleien um die richtige Wissenschaftspolitik in der zuletzt disharmonischen rot-grünen Zusammenarbeit wären fatal. Die Grünen sollten nicht damit hadern, dass der Bürgermeister ihren Kompetenzbereich für sich besetzt, sondern die Entwicklung beschleunigen. Andere Städte zeigen, wohin die Reise gehen kann. Hamburg darf nicht zurückbleiben.

Wissen ist Macht. Das stimmt. Wissen entscheidet aber auch über Macht.

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