Berlin. Unsere Autorin meint, das Coronavirus zeigt den Rassismus in unserer Gesellschaft: die geistige Munition der Attentäter von Hanau.

Gestern bin ich mit dem Rad an einem meiner Lieblingsrestaurants vorbeigefahren. Ein Kultchinese, bei dem ich mich fühle wie damals bei meiner Chinareise. Ein Saal, runde Tische für zehn Personen, Drachenkitsch, Neonlicht, eine Speisekarte mit Entenfüßen und alten Eiern. Ob mittags, abends oder nachmittags: Es ist immer voll. Gestern Abend war nur ein Tisch besetzt. Klar, die Leute haben Angst vor Corona. Sie gehen jetzt lieber in den benachbarten Burgerladen.

Chinesen und ihr Essen werden gemieden in diesen Tagen. Ich müsste mal überprüfen, ob das auch für Italiener gilt. Oder italienischen Wein. Das Schöne an dem Virus: Je weiter er sich verbreitet, desto unsinniger werden Ressentiments. Es trifft ja jeden: die Erzieherin, den Kinderarzt, den Karnevalsfan. Herkunft, Geschlecht, soziale Stellung, sexuelle Orientierung – ist alles wurscht.

Das Coronavirus und der alltägliche Rassismus

Bezeichnen wir denjenigen, der ansteckt, als Täter, den Angesteckten als Opfer, der ja dann wieder zum Täter wird. Wer zuerst da war – das ist eine philosophische Frage, wie die nach dem Huhn und dem Ei. Was uns zudem bewegt: Die Shisha-Bar-Morde von Hanau. Ein rechtsextremer, ein rassistischer Irrer hat mal eben neun Leute erschossen und seine bettlägerige Mutter. Eindeutig ein Täter.