Meinung
Schumachers Woche

Zugreisende mit Übergepäck – was steckt da alles im Koffer?

| Lesedauer: 2 Minuten
Hajo Schumacher
Alle meckern über die Bahn. Aber wann wird die Bahn sich endlich über die eigene Kundschaft beschweren?, fragt unser Kolumnist.

Alle meckern über die Bahn. Aber wann wird die Bahn sich endlich über die eigene Kundschaft beschweren?, fragt unser Kolumnist.

Foto: Kerstin Kokoska / FUNKE Foto Services

Die Deutsche Bahn ist nicht mehr darauf eingerichtet, große Gepäckstücke zu transportieren. Trotzdem machen das noch viele Fahrgäste.

Ein guter Kumpel, psychisch relativ unauffällig, nimmt auf jede Reise Schwarzbrot mit, vom Bäcker seines Vertrauens. Der Rest der Welt mag ein Schwarzbrotmangelgebiet sein. Aber ist die Begegnung mit dem Unbekannten nicht genau das, was Reisen ausmacht? Unlängst berichtete ein befreundeter Ingenieur, dass er dank modernster Falt- und Drucktechnik zur Allergikerbettwäsche jetzt auch die Bettdecke im Koffer unterbekäme. Fehlt noch die Matratze. Und eine Allergie. Die hat er nämlich nicht. Aber die Story sorgt in jedem Hotel für Vorzugsbehandlung.

Studien zur spezifisch deutschen Gepäckmischung sind unvermeidlich, wenn man versehentlich einen Ferienexpress von der Küste erwischt. Die Gänge sind von containergroßen Koffern blockiert, deren Besitzer aber keine copacabanahafte Strandlaune verbreiten, sondern grummeln, weil der Zug schon wieder zu spät sei. Kann auch am stundenlangen Einladen der Bagage gelegen haben, oder? Alle meckern über die Bahn. Aber wann wird die Bahn sich endlich über die eigene Kundschaft beschweren?

Eine Dame blockiert einen Vierertisch mit Schrankkoffern

Frage eines Handgepäckreisenden: Was mag da alles im Koffer stecken? Textilien? Sinnlos. Modisch liegt die Ostsee knapp vorm Gillamoos, mit maritimem Ringelleibchen und einer leberwurstfarbenen Vierlagigen ist man für den kurzen Marsch zum nächsten Eiergrog immer gut angezogen.

Gepäck, sagt Konfuzius, sollte man allein tragen können, was auf die zierliche Dame nicht zutrifft. Sie hat einen Vierertisch mit zwei Schrankkoffern blockiert. Wer sagt ihr, dass ein Seniorenticket zum Supersparpreis nicht drei weitere Sitzplätze für Sperrgepäck beinhaltet?

Früher, als die Welt gerecht war, hätte die Evolution für Ordnung gesorgt. Die mit dem schwersten Gepäck wären zuerst vom Säbelzahn vertilgt worden. Bleibt die Moralfrage: Helfen wir Menschen mit Übergepäckhintergrund beim Wuchten und ermutigen so weitere Reisen unter Volllast? Oder lassen wir die Dame samt Gerümpel für eine pädagogisch wertvolle Besinnungsnacht aufs Abstellgleis schieben? Schwarzbrot ist ja genug im Koffer.

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