Mit Umfragen ist es ein bisschen wie mit Statistiken – man sollte ihnen nicht unbedingt glauben, zumindest dann, wenn man sie nicht selbst gefälscht oder die Fragen selbst formuliert hat. Nun wartete die Europäische Investitionsbank (EIB) mit der überraschenden Nachricht auf, eine deutliche Mehrheit von 56 Prozent der Deutschen sei für ein CO₂-Budget je Einwohner. Damit würde jedem Bürger eine begrenzte Anzahl an Emissionsrechten zugeteilt, umzurechnen in Heizenergie, Hüftsteaks oder Hawaii-Flüge. Die Idee stammt vom Potsdamer Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber – er hat vorgeschlagen, einen privaten CO₂-Emissionshandel einzuführen. Wer mehr als drei Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr ausstößt, muss sich Zertifikate kaufen.
Das klingt erst einmal verlockend, weil viele glauben, den Geissens und ähnlichen Luxuswesen eine Zusatzsteuer aufzubrummen und so zugleich das Klima zu schützen. Das Problem an der Rechnung ist: Man braucht weder Yacht noch Swimmingpool noch Maserati, um über drei Tonnen zu kommen. Jeder Deutsche verursacht im Schnitt 10,8 Tonnen CO2-Äquivalente, nach dem Atomausstieg dürfte es noch etwas mehr werden. Die erlaubten drei Tonnen wären allein durch Ernährung und Wohnen bereits verbraucht. Hätte man dies den Leuten erklärt, wäre die Umfrage wohl anders ausgefallen.
Herr Bello und Frau Muschi sind alles andere als CO₂-neutral
Aber wir machen uns auch beim Klimaschutz die Welt, wie sie uns gefällt. Dass der Verkehr klimaschädlich ist, wissen wir seit 40 Jahren und kämpfen zu Recht um neue Mobilitätskonzepte. Dass unsere Immobilien im Bau, Betrieb und Abriss eine verheerende Klimabilanz, nämlich rund 40 Prozent der Emissionen, verursachen, ist der Öffentlichkeit relativ neu. Und dass Herr Bello und Frau Muschi alles andere als CO₂-neutral sind, wollen wir weder hören noch sagen.
In meiner Lieblingszeitung forderte die tierpolitische Sprecherin der Grünen nun, die Stadt solle mehr für Hamburgs Hunde tun und Tiere insgesamt mehr Beachtung finden. „Hamburg gilt als eine der hundefreundlichsten Städte Deutschlands. Nichtsdestotrotz wollen wir die Bedingungen für Hunde stetig verbessern, wo es möglich ist.“
Ein Hund von 15 Kilogramm emittiert in seinem Hundeleben 8,2 Tonnen CO₂
Klingt gut. Ist aber klimapolitisch in etwa so zielführend wie mehr Parkplätze für SUV und ein Festhalten am Freie-Fahrt-für-freie-Bürger-Irrsinn. Ein 40 Kilogramm schwerer Hund verursacht im Jahr rund 1000 Kilogramm CO₂. Das entspricht dem Ausstoß eines Diesel-Pkw, der 7000 Kilometer zurücklegt. Eine knapp vier Kilo schwere Katze kommt immer noch auf ein Drittel. Ein kleiner Labrador ist klimapolitisch so wertvoll wie ein Interkontinentalflug. Ein Pferd kommt mit 2,4 Tonnen der Schellnhuber-Vision schon verdammt nah. Immerhin: Ein Kaninchen mit einem CO₂-Ausstoß von rund 140 Kilogramm ist da schon fast ein Kandidat für ein Ökosiegel. Die Zahlen sind nicht ausgewürfelt, sondern kommen vom offiziellen CO₂-Rechner des Umweltbundesamtes. Seit 2020 sind dort auch Haustiere Teil der persönlichen Klimabilanz. Natürlich kann man über diese Zahlen streiten – aber andere Berechnungen sehen die Tonne Kohlendioxid sogar schon bei einem Hund von weniger als 30 Kilogramm erreicht.
Matthias Finkbeiner, Leiter des Instituts für technischen Umweltschutz der TU Berlin, brachte es auf den Punkt: „Wenn jemand zur Demonstration für mehr Klimaschutz mit einer 50-Kilo-Dogge geht und dann den Stopp von Kurzstreckenflügen verlangt, ist das eine Doppelmoral.“ Er hat berechnet, dass ein kleiner Hund von 15 Kilogramm in seinem Hundeleben 8,2 Tonnen CO₂ emittiert – so viel wie ein Mittelklassewagen. Die Tonne Hundekot ist da noch nicht einmal eingerechnet.
Soll die Polizei bald Katze und Kanarienvogel für den Klimaschutz einkassieren?
Wollen wir jetzt Leben in CO2-Äquivalenten aufwiegen? Sollen Kinder auf den Familien-Labradoodle, Senioren auf ihren Dackel verzichten? Wo fängt das an, wo hört es auf? Die Rechnerei zeigt, dass Klimaschutz in seiner Übertreibung zur Rutschbahn ins Totalitäre werden kann. Soll die Polizei bald Katze und Kanarienvogel für den Klimaschutz einkassieren?
Offenbar hat das auch die Ampel erkannt und mit einem guten Kompromiss Klimaschutz und Innovation verbunden. In Zukunft sind technische Senken durch CO₂-Abscheidung und -Speicherung (CCS) erlaubt. Damit kann in Zukunft das Gas unterirdisch eingelagert werden. Dem Klima ist es egal, ob man es durch Verbote oder durch Technik schützt.
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